Heilbronn

Wie die "Weindorf Auslese" Corona ein Schnippchen schlägt

Veranstaltung gestartet - Neuer Herbstritter wurde Steffen Schoch - Zur Eröffnung auch nachdenkliche Töne

11.09.2020 UPDATE: 12.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden
Diskussionsrunde von Moderator Holger Gayer (rechts) zum Thema „Wein als Genussmittel und als Wirtschaftsfaktor“ mit Landwirtschaftsminister Hauk (von links), dem Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, und dem Präsident des Weinbauverbandes Württemberg, Hermann Hohl. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. "Weindorf" geht auch anders: Heilbronn hat es gezeigt. Und hier, in der ältesten Weinbaugemeinde des Landes, findet trotz Corona derzeit auch dessen einziges Weindorf statt. Ausgedacht haben sich diese Alternativveranstaltung die Heilbronn Marketing GmbH (HMG), die Wengerter der "Wein-Villa" und der Verkehrsverein Heilbronn. Dass HMG-Chef Steffen Schoch die Ehre zuteil wurde, in diesem Jahr zum "Herbstritter" ernannt zu werden, war eigentlich fällig.

Die Szenerie der Eröffnung, begünstigt vom Wetter, war ebenfalls neu: die Terrasse des nagelneuen Parkhotels im Harmoniegarten, zwei lange Tafeln gedeckt für gut über hundert geladene Gäste. Eine Massenveranstaltung wird es im Rahmen der 140 Wein-Auslese-Einzeltermine an rund 50 Orten in Heilbronn und der Region in keinem Fall geben. Schoch hatte schon im Vorfeld gesagt: "Es wird ein Weindorf, wie wir es noch nie hatten."

Das galt schon für den Auftakt, als auf der kleinen Bühne nicht etwa die Ehrengäste und Honorationen, sondern Holger Gayer erschien – schwer an einer Butte tragend, die gefüllt war mit Stuttgarter Gastgeschenken,. Der Wein-Experte der Stuttgarter Zeitung, der dann fachkundig, gelegentlich auch ziemlich launig bis frech, durch das weitere Programm führte, steht auch dafür, dass die beiden Weindörfer – das Stuttgarter fand in diesem Jahr nur als "virtuelles Weindorf" statt – auch in Zukunft kooperieren wollen.

Hintergrund

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Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel sprach in seiner Eröffnungsrede zur "Weindorf-Auslese" auch das derzeitige Flüchtlingselend auf der Insel Lesbos an: "Unsere Verantwortung endet nicht an der eigenen Grundstücksgrenze oder irgendwelchen Ländergrenzen. Was in diesen Tagen im Flüchtlingslager Moria passiert, lässt uns – lässt auch mich – nicht unberührt. Ich appelliere dringend an die Bundesrepublik, mit einer humanitären Geste voranzugehen und den notleidenden Flüchtlingen unbürokratisch und schnell zu helfen: Wir in Heilbronn sind bereit dafür, unseren Beitrag zu leisten."

In der Diskussionsrunde nahm Holger Gayer den hier zugespielten Ball auf und fragte Hans-Joachim Fuchtel, wie man in dieser Situation "dem hohen C im Parteinamen" nachkäme. Der CDU-Staatssekretär war jahrelang als "Griechenland-Beauftragter" der Bundesregierung vor Ort gewesen. Doch statt einer konkreten Aussage bevorzugte er diplomatische Floskeln. Unter anderem mit dem Hinweis, dass dies eine Gemeinschaftsaufgabe der EU sei. Konkreter war zuvor der Heilbronner Bundestagsabgeordnete Alexander Throm (CDU) geworden: "Forderungen nach einseitigem Handeln von Deutschland zur Flüchtlingsaufnahme sind auch jetzt nicht der richtige Weg. Es braucht ein konzertiertes Handeln der EU-Staaten. Ich erwarte, dass die Kommission von Ursula von der Leyen jetzt schnell handelt. Die Menschen in Griechenland brauchen jetzt Hilfe."

Zeitgleich mit der Aussage Mergels zur Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen in Heilbronn machte ein Brief Schlagzeilen, in dem zehn deutsche Städte das gleiche Angebot an die Bundeskanzlerin richteten. Wäre die Absicht für dieses Anschreiben in Heilbronn bekannt gewesen, so heißt es auf Nachfrage, hätte es Mergel auch unterzeichnet. (bfk)

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Oberbürgermeister Harry Mergel versprach in seiner Begrüßung, "dass die gewohnte Weindorfzeit trotzdem eine gute werden kann." Dies wollte er mit dem Auftakt am Freitag unter Beweis stellen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte wegen der aufgetretenen Schweinepest kurzfristig abgesagt und ließ sich von Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel vertreten. Unter den weiteren Gästen waren Innenminister Thomas Strobl und seine Frau Christine, die als Heilbronner das Parkhotel auch fußläufig erreichen können, Landwirtschaftsminister Peter Hauk aus Stuttgart, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied, ebenfalls in der Region zu Hause, der Präsident des Weinbauverbands Württemberg Hermann Hohl, und auch die Weinhoheiten Angelina Vogt (deutsche Weinkönigin) und und Tamara Elbl (Württembergische Weinkönigin).

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"Wein als Genussmittel und als Wirtschaftsfaktor" war das Thema der von Gayer moderierten Talk-Runde mit dem Landwirtschaftsminister und den beiden Präsidenten. Hier gab es durchaus auch nachdenklich machende Aussagen zur Zukunft des Weinbaus. Etwa wenn Hauk anführte, es sei den Winzern noch nie so schlecht gegangen wie momentan – und das nicht nur wegen der Corona-Ausfälle. Er plädierte dafür "das Besondere des Württemberger Weines auf dem Markt auch durch dessen Preis zu unterstreichen".

Hohl ergänzte dies dahingehend, dass das Minus durch Corona auch nicht durch das Plus im Lebensmittelhandel und im "Hausverbrauch" ausgeglichen werde und dass der Trollinger seine besten Jahre noch vor sich habe. Bauernpräsdent Rukwied, nach der Zukunft des Weinbaus im Lande befragt, prophezeite, auch im Hinblick auf den Klimawandel, dass der Riesling die Flächen behalten werde, der Lemberger international in den Fokus kommen und es der Trollinger gut überstehen werde.

Optimismus habe auch er sich bewahrt, hatte der OB zuvor gesagt, auch weil Corona die Menschen einander näher gebracht habe. Und das bei allen berechtigten Fragen, auch teilweise nachvollziehbarer Kritik an manchen staatlichen Maßnahmen: "Wir haben vieles richtig gemacht. Und deshalb sind wir als Land aber auch als Stadt Heilbronn bislang glimpflich durch die vergangenen Monate gekommen. Das sollte uns immer bewusst sein."

Aber Corona blieb nicht die einzige "politische Aussage" bei dieser Veranstaltung. Das "Reizthema, das derzeit die Wengerter nicht nur der Region bewegt, ist die 10. Novelle zur Änderung des Weingesetzes, deren Ziel es unter anderen sein soll, bessere Bedingungen für die Vermarktung des deutschen Weines und für die Verbraucher zu schaffen. Was Staatssekretär Fuchtel in seiner Rede dazu sagte, widersprach fast in allem dem, was nur wenige Tage zuvor bei der Jahrespressekonferenz der WG Heilbronn zu hören war. Deren Vorstand Justin Kircher befürchtet unter anderem, dass traditionelle Lagenbezeichnungen verschwinden werden.

Eine vom Heilbronner linksautonomen Zentrum "Käthe" für Tierwohl und gegen Fleischkonsum angesetzte Demo mit etwa fünfzig Teilnehmern vor der Festhalle Harmonie war kein Störfaktor.

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