Die 145 Jahre alte Fabrikantenpalast ist seit 20 Jahren eine „Wein-Villa“ als Repräsentanz der Heilbronner Winzer. Foto: Hans Georg Frank
Von Hans Georg Frank
Heilbronn. Den Schwung der Bundesgartenschau möchten die Macher der Heilbronner Wein-Villa in die Innenstadt verlagern. Deshalb wird ziemlich zügig neben der Neckarbühne ein Pavillon errichtet, in dem bereits ab kommendem Frühjahr die ersten Kostproben ausgeschenkt werden sollen. Dort, gegenüber der Experimenta, wird eine 250.000 Euro teure Schankstation gebaut, sechs Meter breit, neun Meter lang, Toiletten inklusive.
"Das ist ein ganz idealer Platz", schwärmt Karl Seiter, Sprecher der Wein-Villa-Gemeinschaft, von dem Standort an der gastronomisch ausgerichteten Neckarmeile. Die Wengerter streben eine enge Kooperation, keine Konkurrenz mit den umliegenden Gastronomen an. Geplant sei "ein reiner Sommerbetrieb", täglich ab nachmittags sagte Seiter, hob dabei aber hervor, dass am 17. April begonnen und am 6. Oktober aufgehört werde.
Diese 173 Tage entsprechen genau der Buga-Frist. "Für mich geht ein Traum in Erfüllung", verriet Steffen Schoch, Geschäftsführer von Heilbronn Marketing. Endlich werde ein Weinausschank in der Innenstadt etabliert, er stehe an "der Scharnierstelle zwischen altem und neuem Heilbronn".
Seiter zeigte sich überzeugt vom Erfolg des Projekts: "Skeptisch sind wir nicht, sonst würden wir es doch nicht machen." Mit dieser Außenstelle der Wein-Villa seien andere Planungen für Pavillons in diesem Bereich hinfällig. Ein Bauwerk, das einen Ganzjahresbetrieb erlaube, sei wegen der Kosten von mehr als einer Million Euro wirtschaftlich nicht zu stemmen.
Mit dieser Zweigstelle für Genießer am Neckar soll es in der ältesten Weinstadt Württembergs freilich nicht getan sein. Auch am Wartberg kann ab kommenden April jeweils samstags und sonntags eine Auswahl bester Tropfen verkostet werden. Neben dem Hochbehälter, in dem üblicherweise das Weinlesefest die Massen anzieht, bauen die Stadtwerke gerade eine auf alt getrimmte Weinberghütte samt Toilette. Pächter wird der Verkehrsverein sein, Betreiber sind im Wechsel die Mitgliedsbetriebe der Wein-Villa.
Der Zusammenschluss von einst 18 Weingütern und der Genossenschaft hat seit dem Jahr 2000 seinen Stammsitz in einer früheren Fabrikanten-Residenz. Die Villa Faißt von 1874/75, benannt nach dem Zuckerwerksdirektor Andreas Faißt, wurde ab 1922 für Verwaltungen zweckentfremdet. Erst bei der Sanierung durch die Stadtsiedlung stellte sich heraus, welch architektonisches Kleinod an der Cäcilienstraße steht.
18 Weinbauunternehmen richteten dort ihre repräsentative Niederlassung ein, um in edlem Ambiente einen Teil ihres Sortiments feilbieten zu können. Nach einer lehrreichen Experimentierphase gibt es seit 14 Jahren eine Vollgastronomie. Seit sieben Jahren vermag Jürgen Sawall mit seiner "gehobenen Hausmannskost", wie er sagt, die Gäste so zu überzeugen, dass am besten ein Tisch reserviert werden sollte. Mittags werden um die 100 Essen serviert, abends etwa die Hälfte.
Der Laden brummt zur Freude der Betreiber derart, dass jetzt mit Florian Hemmerich, Noch-Küchenchef im Neckarsulmer Hotel Nestor, eine weitere Fachkraft eingestellt wird. Auch während der Bundesgartenschau hatte das Personal reichlich zu tun, weil zusätzliche Gäste in der Stadt unterwegs waren. Der November sei "der umsatzstärkste seit 20 Jahren" gewesen, freute sich Seiter.
Die Zahl der Gesellschafter hat sich zwar auf 16 verringert, aber sie sind verantwortlich für nunmehr 90 Prozent der Heilbronner Rebfläche. Neu dabei sind die Weingüter Bauer in Sontheim und Albrecht-Gurrath in Heilbronn. "Wir wollen etwas in der Gemeinschaft machen, das ist das Ding unserer Generation", erklärte Alexander Bauer (30) sein Engagement.