Was das neue Mobilitätskonzept bewirken soll
Neues Mobilitätskonzept verspricht und fordert viel: Weniger Belastung für Mensch und Umwelt, weniger Lärm, bessere Luft, weniger Autos

Weniger Autofahrten, weniger Lärm und bessere Luft in der City: Das neue Mobilitätskonzept der Stadt Heilbronn verspricht und fordert viel. Foto: Armin Guzy
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Mit ihrem neuen, schon seit zwei Jahren vorbereiteten Mobilitätskonzept, will die Stadt Heilbronn viel bewegen. Es mutet den Einwohnern aber einiges zu, das wissen auch Baubürgermeister Wilfried Hajek und die Leiterin des Amtes für Straßenwesen, Christiane Erhardt. Dass es dabei nicht nur um das "Was", sondern auch das "Wie" geht, dafür lieferte der Gemeinderat auch gleich den Beweis.
In einer Diskussion ging es um den gemeinsamen Antrag von Grünen, CDU und SPD auf eine testweise kostenlose Nutzung von Bussen und Stadtbahn an den vier Adventssamstagen beziehungsweise um eine zeitliche Erweiterung, um zu "realistischen Ergebnissen" zu kommen. Fast eine Stunde wurde da um Formulierungen und Forderungen gerungen.
Am Ende stand dann das Versprechen von OB Harry Mergel, den Gemeinderat über die ersten Ergebnisse so auf dem Laufenden zu halten, dass eine Entscheidung über eine längere Testphase möglich ist. Der Advents-Test wird etwa 160.000 Euro kosten, der von den Antragstellern längerfristig gewünschte aber schon 800.000. Die Freien Wähler führten dabei noch Erfahrungen ins Feld, die gezeigt hätten, dass Verhaltensänderungen "über den Preis" kaum stattfänden.
Hintergrund
Die Geschichte Heilbronns zeigt auch in den letzten beiden Jahrhunderten viele Fälle von vorausschauendem Straßenbau, unter anderem auch mit dem Ziel der Verkehrsentlastung der Innenstadt. Die heute kaum mehr wegzudenkende Neckartalstraße entstand in den
Die Geschichte Heilbronns zeigt auch in den letzten beiden Jahrhunderten viele Fälle von vorausschauendem Straßenbau, unter anderem auch mit dem Ziel der Verkehrsentlastung der Innenstadt. Die heute kaum mehr wegzudenkende Neckartalstraße entstand in den 70er-Jahren aber erst nach heftigstem und langem Streit im Gemeinderat. Gleiches gilt für die Saarlandstraße: seit Jahrzehnten geplant, immer wieder umstritten, die Fertigstellung, zuletzt für 2012 angekündigt, wieder verschoben. Mit deren Ausbau könne man, so sagte Hajek, jederzeit beginnen, die Grundstücke seien gekauft, alle Pläne genehmigt, alle Gutachten lägen vor - und in der Schublade. (bfk)
Das jetzt dem Gemeinderat vorgelegte Mobilitätskonzept liest sich, wie derzeit alle vergleichbaren Vorlagen zu städtischen Vorhaben, nicht mehr ausformuliert in "Verwaltungsdeutsch", sondern gesteigert zu "Verwaltungslyrik", mit Begriffen, hinter denen Auswirkungen und Ziele eher mühsam zu erkennen sind oder deren Aussagekraft beziehungslos dasteht, in Sätzen wie "Die Maßnahmen sind unterschiedlich gewichtet. 21 Maßnahmen haben die Priorität eins, zwölf die Priorität zwei und zehn die Priorität drei."
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Wenn auch noch als "Erfolgsfaktor" in einem Satz "Verbesserung der ÖPNV-Taktung" und "Öffentlichkeitsarbeit" genannt werden, dann ergibt sich daraus auch ein Rückschluss auf die Einschätzung der "Popularität" dieser Maßnahmen, die, auch angesichts der Vorgaben auf Bundesebene, "alternativlos" sind.
Sie alle sollen dazu beitragen, dass im Jahr 2030 elf Prozent weniger Wege mit dem Auto zurückgelegt werden als noch 2015. Außerdem sollen im "Umweltverbund" dann 20 Prozent Fußgänger (2015: 18 Prozent), 15 Prozent ÖPNV-Nutzer (2015: zehn Prozent) und 13 Prozent Radfahrer (2015: zehn Prozent) unterwegs sein.
Gleichzeitig wird mit einer Verdoppelung der E-Bike- oder Pedelec-Nutzer von einem auf dann zwei Prozent gerechnet, und auch, dass dann bereits 21 Prozent der Fahrzeuge einen alternativen Antrieb haben und die Zahl von derzeit 26 öffentlichen Ladepunkten entsprechend erhöht wird. Nur noch wenige Tage können öffentliche Einrichtungen und Unternehmen dafür staatliche Fördermittel beantragen. Heilbronn will dafür 300.000 Euro investieren.
Der Blick auf andere Städte zeigt bereits, wie sich kostenloser ÖPNV auswirkt, Heilbronn aber sperrt sich immer noch gegen das 1-Euro-Ticket (365 Euro für das Jahresticket). Dabei haben Hajek und Erhardt als Zielsetzung die "Reduktion verkehrsbedingter Belastungen für Mensch und Umwelt" definiert, unter dem Motto "Lebenswerte Stadt Heilbronn - Gesund leben und nachhaltig mobil" mit den Aktionsfeldern Klimaschutz (CO2-Reduktion), Lärmschutz (Pläne dafür gab es in Heilbronn schon 2009 und 2014) und Luftreinhaltung (Reduktion der NO2-Belastung). Heilbronn ist unter den Städten, die von der Deutschen Umwelthilfe verklagt wurden; OB Mergel aber will Fahrverbote unbedingt vermeiden.
Wie die Mobilität vernetzt werden soll und wie, als eine Grundvoraussetzung, die Taktzeiten von Bus und Stadtbahn zusammen mit deren Betreiber erhöht werden sollen, darauf muss man noch gespannt warten. Sicher ist jetzt schon, dass die Fußgängerzonen für E-Tretroller freigegeben werden.
Im Gegensatz zu vielen anderen Städten dürfen hier auch Radfahrer "in Schrittgeschwindigkeit" fahren. Die tägliche Praxis liefert ein anderes Bild: Mangelnde Kontrollen halten das Nichteinhaltungs-Problem klein, und es gibt auch keine Aussage zu einem Leasing-Angebot für E-Roller. Großstädte wie Berlin oder Frankfurt leiden bereits auffallend darunter, auch weil hunderte geleaster E-Roller nicht nur planlos oder verkehrsgefährdend abgestellt, sondern einfach in Spree und Main versenkt werden.
Der Mobilitätsplan, so wie er jetzt vorliegt, den man auch als "Plan für Klima- und Lärmschutz" sieht, zeigt auch auf, dass man nicht mit der Holzhammer-Methode vorgehen will, sondern eher auf eine "Politik der kleinen Nadelstiche" setzt: Die weitere Verknappung von öffentlichem Parkraum in der City läuft längst, die Sperrung der Götzenturmbrücke für den einbahnigen Autoverkehr (bisher ein kleines "Schlupfloch" in die Bahnhofsvorstadt) und vor allem die Tempo-40-Vorschrift für Oststraße und Weinsberger Straße sind geplant. Dort wird die höchste Schadstoffkonzentration gemessen, 20 Luftfiltersäulen sollen als Gegenmaßnahme installiert werden.
Für beide, per Ampeln stark durchgetaktete Straßen sind schon lange intelligente Steuerungen angekündigt. Das neue Park- und Verkehrsleitsystem darf 1,7 Millionen Euro kosten. Ein Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof für 500.000 Euro hat noch der alte Gemeinderat beschlossen. Derzeit werden in der Innenstadt weitere Radwege ausgebaut und dafür Autofahrspuren verengt. Hajek meint, dass Autofahrer von den neuen Regelungen schon deshalb "entspannt" profitieren werden, weil dann weniger von ihnen unterwegs sind.