Heilbronn

Das ist die Geschichte von 40 Jahren Waldorfschule

Am Anfang stand der Pioniergeist - Heute gehören zum Campus eine Gesamt- und Ganztagsschule mit Kindergarten und Kinderhaus

10.04.2019 UPDATE: 11.04.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Vor 40 Jahren gegründet, ist die Waldorfschule im Heilbronner Stadtteil Sontheim mit den Jahren deutlich gewachsen. Vieles davon wurde von der Elternschaft finanziert und mitgestaltet. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Die Heilbronner Waldorfschule war die 56., die in Deutschland ihren Betrieb aufnahm: Vor nun 40 Jahren zogen auf dem heutigen Waldorf-Campus in Heilbronn-Sontheim die ersten Schüler in einen noch bescheidenen Flachbau ein. Vorangegangen waren die Gründung des Waldorf-Kindergartens in Lauffen und die des "Vereins zur Förderung der Waldorfpädagogik" im Dezember 1972 - eine Pioniertat mit politischem Hintergrund: Die Proteste gegen den Bau des Kernkraftwerks Neckarwestheim hatten eine Gruppe von Eltern zusammengeführt, die einen Kontrapunkt für ihre Kinder setzen wollten.

Hintergrund

Berühmte Waldorfschüler sind unter anderem Otto Schily, Sarah Wiener, Rainer Werner Fassbinder, Jennifer Aniston, Clint Eastwood, Ferdinand Porsche, Barbara Becker, Heiner Lauterbach, Michael Ende, Nobelpreisträger Thomas Südhof und der dm-Drogerie-Gründer

[+] Lesen Sie mehr

Berühmte Waldorfschüler sind unter anderem Otto Schily, Sarah Wiener, Rainer Werner Fassbinder, Jennifer Aniston, Clint Eastwood, Ferdinand Porsche, Barbara Becker, Heiner Lauterbach, Michael Ende, Nobelpreisträger Thomas Südhof und der dm-Drogerie-Gründer Götz Werner. (bfk)

[-] Weniger anzeigen

Rudolf Steiner, Begründer der Waldorfpädagogik und -schulen, hatte es 1919 so formuliert: "Die Waldorfschule ist ein Unterglied der brennenden Fragen der Gegenwart. Sie muss reformierend-revolutionierend wirken." Wie das ganze endete, weiß man: Neckarwestheim "rüstet ab", der Waldorfcampus ist zu einem richtigen Schulzentrum geworden: zu einer Gemeinschaftsschule mit Kindergarten und Kinderhaus.

Nach dem Selbstverständnis des Trägervereins ist der Waldorfcampus Heilbronn nicht nur eine "Erziehungs- und Bildungsstätte, sondern auch kulturelles und gesellschaftliches Zentrum", wie es in der Festschrift zum Jubiläum heißt. Heute gibt es 1150 Waldorfschulen in 65 Ländern, besucht von knapp 90.000 Schülern; im Dritten Reich und in der DDR waren sie verboten. Mit einer ganzen Festwoche feiert man nun in Heilbronn die erste "Freie Schule" der Stadt.

Die Anfänge waren mühsam, der Gemeinderat erst zu überzeugen, bevor er den Initiatoren und dem bekannten Heilbronner Architekten Herbert Alber ein Grundstück gegenüber der Hochschule zugestand. Das war am 4. Dezember 1977, am 33. Jahrestag der Zerstörung Heilbronns. Bereits im April darauf wurde der Bau begonnen, im Juli war Richtfest und im Herbst begann der Unterricht für die Klassen 1 bis 5.

Das war nur möglich, weil die Elternschaft große Teile der Bauarbeiten übernommen hatte. Bis heute sind deren Initiativen entscheidend für Weiterentwicklungen, und manches wird allein aus den Erlösen des jährlichen Martinsbasars mit seinem kreativen Angebot an Kunsthandwerk finanziert.

Die Schule wird als Lebensraum begriffen und so dargestellt. Die Farbgestaltung, die sehr von dem abweicht, was an Staatsschulen üblich ist, entwickelte der schwedische Farbgestalter Fritz Fuchs auf der Basis von Steiners Ausführungen in seiner "Erziehungskunst", die sich an die Goethesche Farbenlehre anlehnt, mit "Farbräumen, in denen die Seele leben kann". Dass durch sie, aber auch durch die Verwendung vor allem von Holz und Beton in natürlicher Formensprache entstehende "Klima" erklärt, warum es an Waldorfschulen so selten Vandalismus gibt.

Im sukzessiven Aufbau entstanden weitere Anbauten und Räume: Turnhalle, ein Eurythmie-Saal, ein Saalbau mit Bühne, Schulküche, Schmiede, Gartenraum und, fast ausschließlich aus Basar-Erlösen finanziert, ein Schülercafé. 2006 begann man mit dem Kindergartenbau, ein Jahr später mit dem Neubau für die Ganztagsschule, 2013 wurde das Kleinkinderhaus eingeweiht.

Die Waldorfschule kann sich der Unterstützung der Stadt sicher sein, das bekräftigte einmal mehr Oberbürgermeister Harry Mergel beim Festakt, in dem er sie als "aktiven Bestandteil der Heilbronner Bildungslandschaft" lobte. Susanne Bay (Grüne), Rainer Hinderer (SPD) und Nico Weinmann (FDP), in Personalunion Landtagsabgeordnete und Stadträte, wie auch Thomas Randecker für die CDU äußerten sich gleichfalls lobend.

So unterstrich Bay, dass man hier "Diskussionskultur und Demokratie" lerne, Weinmann lobte die Schule dafür, "dass sie Kräfte in jedem Menschen entfalte". Hinderer konnte persönliche Erfahrungen einbringen: Seine Frau war Waldorfschülerin, und: "Ja, sie kann ihren Namen tanzen!" sagte er in Anspielung auf den beliebten Spott zum Fach "Eurythmie". Dieses sorgte dann auch für die schönsten und heitersten Momente in den Darbietungen von Schülern der Klassen 2 und 12.

Zum Thema "Wir waren Waldorfschüler" diskutierten am Donnerstag der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und die SWR-Journalistin Ester Saoub im Festsaal auf dem Waldorfcampus in der Max-Planck-Straße.

Ort des Geschehens

Anmerkung der Redaktion: Versehentlich war in einer vorherigen Version die Diskussion für den heutigen Freitag angekündigt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.