Bewohner des Neckarbogens können sich ihre Einkäufe von selbstfahrenden Kleintransportern nach Hause bringen lassen. Repro: bfk
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Viel vorgenommen hat man sich in Heilbronn mit der Bundesgartenschau (Buga). Hier soll auch Zukunft stattfinden. Oberbürgermeister Harry Mergel spricht gerne von einer "kleinen Expo". Das "Spielfeld" ist der neue Stadtteil Neckarbogen, der als "Stadtausstellung" integrierter Bestandteil der Buga ist und in dem der Geist und Anspruch des Bauhauses in die Gegenwart transportiert wird. Doch trotz anspruchsvoller Architektur, alternativer Wohnformen, innovativem Bauen und Baumaterialien sind nicht alle Blütenträume aufgegangen. So musste man beim Mobilitätskonzept ein paar Gänge zurückschalten. Doch genau das verspricht nun auf andere Art "Zukunft" zu werden. Das zeigte sich, als die Wissenschaft das Wort hatte und ihre Buga-Projekte vorstellte.
Die Buga soll auch als Reallabor für Innovationen funktionieren, von denen "Future Urban Delivery", also der autonome Lieferverkehr, europaweit einzigartig sei, wie der Rektor der Hochschule Heilbronn (HHN), Oliver Lenzen, sagte. Buga-Besucher und Neckarbogen-Bewohner werden aber nicht nur mit neuen Formen der Mobilität und künstlicher Intelligenz konfrontiert. Sie werden auch Testpersonen.
Für die wissenschaftlichen Beiträge hat man ein Schlagwort gefunden: "Impact HN". Wenn man "impact" mit Auswirkung, Einfluss, Effekt, Bedeutung oder Aufschlag übersetzt, umschreibt das ziemlich genau, was sich in den vier Themenfeldern abspielen soll, die "Mobilität", "Gesellschaft", "intelligente Technik" und "Leben" genannt werden. Akteure sind die HHN, die Duale Hochschule Heilbronn und Mosbach (DHBW), die Bildungseinrichtungen des Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung einschließlich der TU München. Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Stiftung, begründet die Unterstützung damit, dass "der Auftritt die Fachausrichtungen der Hochschulen auf den Punkt bringt". Junge Buga-Besucher sollen zudem für den Studienstandort Heilbronn begeistert werden.
An der Mobilität der Zukunft arbeiten viele. Die HHN ist mit einer Testrecke Teil des Landesprojektes "Autonomes Fahren" und führt dieses auf der Buga fort: Mit aller Vorsicht vor juristischen Fallstricken geht man einen Schritt weiter zum autonomen Parken. Wie das funktioniert, können Besucher am Modell erleben. Oder, wenn sie Los-Glück haben, innerhalb bestimmter Vorführungen selber in einem autonom parkenden Fahrzeug Platz nehmen. Im Modellversuch navigieren kleine Elektrofahrzeuge zu freien Parkplätzen, parken ein und aus, fahren Kolonne.
Verbinden Besucher ihre Smartphones mit dem Auto-Drive, können sie selbst einen freien Parkplatz wählen. Die Fahrsoftware ist auf alle notwendigen Funktionen ausgerichtet: Umfeld-Erfassung, Objektverfolgung, Navigation, Bahnplanung, Geschwindigkeits- und Abstandsregelung, Verhinderung von Kollisionen.
Spannend und zukunftsrelevant wird auch der autonome Lieferverkehr sein. Kleine, selbstfahrende E-Fahrzeuge und ihre Funktionen werden im Forschungsprojekt "Buga:log" erprobt. Wissenschaftlern und ihren Studenten geht es darum, die künftige Mobilität als Dienstleistung am Bedarf der Bürger auszurichten. Im Stadtteil Neckarbogen wohnen während der Buga 1200 Menschen, bis 2027 dann 3500. Die autonom fahrenden "Kleintransporter" bringen Einkäufe nach Hause. Per App spontan bestellt, liefern sie eine Pizza oder einen Blumenstrauß. Vor allem aber übernehmen sie Paketdienste. "Samocca" , das lnklusionscafé, bekommt so seine Lebensmittel. Im gleichen Zug wird der Abfall entsorgt.
Im "Living Lab Buga" können Besucher auch noch ihre Shoppingwelten mitgestalten. Sie gehen mit Virtual-Reality- Brillen "einkaufen". Dabei wird erfasst, wie sie sich dabei orientieren und verhalten. Die Ergebnisse sollen sowohl für Online-Shops wie auch im stationären Handel umgesetzt werden, betont Nicole Graf, Rektorin der DHBW Heilbronn.
Manches wird auch richtig Spaß machen. Etwa wenn man seinen Blumentopf virtuell designt, er mithilfe künstlicher Intelligenz wunschgemäß bepflanzt wird und man ihn danach mit nach Hause nimmt. Oder wenn man das Württembergische Kammerorchester dirigieren darf. Wie das geht? Die Musikstücke werden aufgezeichnet, die Bewegungen von "Dirigent" oder "Dirigentin" über Radarsensoren "übertragen". Der Zeitplan, um alles in den dafür vorgesehenen Räumen zu installieren, ist mehr als sportlich. "Es werden noch viele Schweißperlen fließen", sagt Rektor Lenzen - ganz real.