Der Mosaikboden im Schmuckhof des Rathauses. Die Rokokofassade des früheren Archivgebäudes hat auch einen stark angegriffenen Sandsteinsockel. Doch weder der Schmuckhof noch die Decke der darunterliegenden Tiefgarage werden saniert. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. "Es geht um unser Rathaus" sagt SPD-Stadträtin Anna Christ-Friedrich, und die Betonung liegt dabei auf "unser". Die meisten ihrer Ratskollegen sehen es ebenso, und so werden die 8,1 Millionen Euro freigegeben, von denen FDP-Stadtrat Michael Link sagt: "Das ist ein Brocken". Das Geld dient dazu, im Rathaus notwendige Brandschutzmaßnahmen durch- und eine neue EDV-Infrastruktur einzuführen. Für letztere müssen sogar Ämter und Mitarbeiter umziehen, alleine die Kosten für diesen Posten werden eineinhalb Millionen Euro betragen. Stadtrat Heiner Dörner (Freie Wähler) denkt noch weiter und wünscht sich, dass hinterher alles schön wird "und in neuen Farben erstrahlen soll".
Doch zunächst liest sich die Gemeinderatsdrucksache zu den fälligen Maßnahmen des Brandschutzes fast wie ein Horror-Szenario: "Im gesamten Gebäude ist die Installation einer flächendeckenden Brandmeldeanlage erforderlich". Aus dem Acht-Millionen-Paket fließen drei Millionen in die Brandschutz-Notmaßnahmen, etwas weniger in die Brandschutz-Sofortmaßnahmen. Besonders problematisch ist die Situation offenbar deshalb, weil das Rathaus im Innern eine "offene Gebäudestruktur" hat. Offene Strukturen im Rathaus als Manko? Beim Brandschutz ist das wohl so.
Am teuersten aber wird die Erneuerung der EDV-Infrastruktur. Dieses Thema steht schon länger auf der Agenda, eigentlich seit 2013, und nun ist das EDV-Netz im Rathaus so veraltetet, dass es sich nicht mehr modernisieren lässt und eher an die Schneckenpost erinnert: "Vergleicht man den Datendurchsatz des vorhandenen Netzwerkes mit dem einer heute üblichen Verkabelung, entspricht dies in etwa einer tausendfachen Datengeschwindigkeit", heißt es dazu in der Drucksache.
Digitalisierte Bürgerdienste waren ja bislang nur bedingt möglich, was auch Thomas Strobl, Landesinnen- und Digitalisierungsminister aus Heilbronn, am eigenen Leib erfuhr. Als er bei seiner Ummeldung nach einem Umzug auf dem Rathaus "ein Nümmerle" ziehen und dann auch noch länger warten musste, argumentierte er mit dieser Erfahrung im Plenum des Landtages - was in Heilbronn wenig Begeisterung hervorrief.
Nicht von dieser Notwendigkeit betroffen ist offenbar die im Zuge dieser auch baulich aufwendigen Maßnahmen die Sanierung des Schmuckhofes des Rathauses einschließlich der Abdichtung der Decke der teils darunterliegenden Tiefgarage. Sie wurde zurückgestellt. Das so gerne, aber nicht ganz zutreffend als "historisch" bezeichnete Rathaus ist ja kein "Gesamtkunstwerk", also kann man, nachdem man es schon seit Jahrzehnten tut, weiter über die bröckelnden und sich auflösenden Mosaiken im Schmuckhof hinweg trampeln und die ebenfalls mosaikverzierten tragenden Säulen des Anbaus ignorieren.
Die Anlage steht unter Denkmalschutz, sie ist ein Kunstwerk, ihre Wertschätzung entspricht allerdings in etwa der, wie sie heute für "Kunst am Bau" in Heilbronn vorherrscht: Sie geht gegen Null. Lediglich zur Weindorfzeit wird der Schmuckhof abgedeckt, um weitere Schäden zu verhindern.
Etwa drei Millionen Euro hätte diese Maßnahme zusätzlich zu den acht Millionen Euro gekostet, einschließlich der Sanierung der Tiefgaragendecke, die eigentlich im Katalog der Maßnahmen steht. Dabei ist auch von baulichen Unwägbarkeiten die Rede, und es heißt dazu: "Eine denkmalgerechte Instandsetzung und Sanierung ist möglich, jedoch sehr aufwendig und kostenintensiv."
So umschreibt man Maßnahmen - meist mit dem Ziel sie zu verschieben -, von denen man längst weiß, dass sie früher preiswerter gewesen wären und in Zukunft noch mal sehr viel teurer werden. Den Stadträten war dies keine Aufregung wert, lediglich Anna Christ-Friedrich ging es darum, hierzu auch den Denkmalschutz zu fordern.
Und das ist er auch, denn, wann immer es geschieht: Eine Sanierung der Tiefgaragendecke ist nicht möglich, ohne das Schmuckmosaik anzugreifen. Auf der Liste des Vorzeigbaren in Heilbronn, beispielsweise während der Bundesgartenschau 2019, könnte neben dem Rathaus und der Kunstuhr auch dieser Innenhof ein Blickfang für die Besucher sein. So aber bleibt er voraussichtlich ein dunkler Punkt, der weiter verkommen gelassen wird.
Gestaltet hat den Rathausinnenhof in den 60er Jahren der Münchner Künstler Blasius Spreng (1913 - 1987); von ihm stammen auch zwei Bronzeskulpturen an den Säulen zur Lothorstraße hin: Die eine stellt einen wiehernden Amtsschimmel dar, die andere einen "Bürokraten". Manchmal sind Künstler auch Hellseher.