Von Christine Frischke
Karlsruhe. Über das Internet hat Peter vor Kurzem eine Frau kennengelernt. Sie haben gechattet, fanden sich sympathisch, tauschten Nummern aus. Es funkte. Bald wollen sie ein Wochenende miteinander verbringen. Was die Dame seines Herzens nicht ahnt: Die netten Zeilen, mit denen er sie anfangs um den Finger wickelte, hat er nicht selbst verfasst. Sie hat mit einem Ghostwriter geflirtet.
In den USA sind solche Dienste schon länger bekannt. Professionelle Flirt-Agenten ("Ghost-Dater") erstellen für ihre Kunden Profile auf Singlebörsen, helfen bei der Bildauswahl und übernehmen die virtuelle Partnersuche - samt zeitraubender Mail-Korrespondenz. Das Date mit der Traumfrau oder dem Traummann servieren sie auf dem Silbertablett.
Auch Peter (Name geändert) hörte erstmals bei einer USA-Reise von der Idee. Der Geschäftsmann aus der Nähe von Karlsruhe ist über 40, und da es bislang mit der Liebe nicht geklappt hatte, meldete er sich im vergangenen Sommer bei einer Online-Partnerbörse an.
"Online Dating verspricht eine bisher ungekannte Effektivierung der Partnersuche", schreibt der Frankfurter Soziologe Kai Dröge. Nie sei es so leicht gewesen, an Informationen über Hunderttausende Singles zu gelangen. Laut einer Umfrage des IT-Verbandes Bitkom suchen drei von zehn Menschen in Deutschland ihr Liebesglück im Netz. Im Schnitt geben Nutzer rund 38 Euro im Monat dafür aus.
Peter verbrachte Stunden damit, Profile durchzuklicken und Nachrichten zu tippen. Eine Antwort erhielt er selten. "Als normaler Typ, der nicht aussieht wie Brad Pitt oder super schreiben kann, geht man in der Masse unter." Er verlor bald die Lust, jeden Feierabend für die Partnersuche zu opfern - also lagerte er sie aus. Er beauftragte eine Agentur - und plötzlich hatte er Erfolg. Ein schlechtes Gewissen plagt ihn nicht. "Für mich beginnt das Kennenlernen erst mit dem richtigen Treffen."
Markus Dobler hat 2014 die Agentur Weedate gegründet. Der Dating-Coach aus Ingolstadt ist eigentlich Beamter. "Ich hatte immer Erfolg mit meinen eigenen Online-Dates, und weil ich Spaß daran habe, fing ich an, anderen zu helfen." Vor allem Männer bitten ihn darum, Amor auf die Sprünge zu helfen, oft Geschäftsleute mit wenig Zeit wie Peter. Doch in der Mehrzahl sind es Singles, die sich nicht anders zu helfen wissen oder zum allerersten Mal online auf Partnersuche gehen. Fast ausschließlich sind sie an einer festen Beziehung interessiert.
Zunächst bringt Dobler die Single-Profile auf Vordermann - und schickt die meisten Männer erst mal zum Fotografen. "Selfies vor dem Badezimmerspiegel oder der unaufgeräumten Küche gehen gar nicht." Dann schreibt er im Namen seiner Kunden deren Favoritinnen an. Sein Rezept klingt simpel: "Ich hebe mich mit humorvollen Mails von der Masse ab und gehe individuell auf das Profil der Frau ein." Um Frauen das Antworten zu erleichtern, formuliert er mindestens drei Fragen. So schnell wie möglich lenkt er den Austausch dann auf ein konkretes Date.
Dabei besteht nicht nur beim Ghostdating die Gefahr, dass die Online-Liebe eher für die Nachrichten als für das echte Date schwärmt. "Wir verlieben uns nicht in den Schreiber, sondern in eine Phantasiegestalt, die wir zu den Worten erfinden", sagt der Stuttgarter Philosophie-Professor Philipp Hübl. "Deshalb ist die Enttäuschung oft groß, wenn man das Online-Date zum ersten Mal analog trifft und er oder sie dem Ideal nicht entspricht."
Billig sind die Dienste nicht. Bei Weedate kostet das Basis-Paket mit zwei garantierten Dates 399 Euro. Bei "Suredate" aus Bayern sind drei Verabredungen für 690 Euro zu haben. Die "Herzschreiber" (Hamburg) bieten ein Abo für 29,90 Euro im Monat an. Dazu kommen noch die Kosten für die Datingportale.
Meist wird den Kunden abgeraten, der neuen Liebe später vom Ghostwriter zu erzählen. Auch Philosoph Hübl rät zum Schweigen. "Wenn beide aufrichtig verliebt sind, sollte die Phase davor egal sein."