Fassadenfarbe gegen Fahrverbote

Grün-Schwarz einigt sich auf weitere Maßnahmen zur Luftverbesserung

Zumindest der Koalitionsfrieden scheint vorerst gerettet. Der Streit gilt nun als beigelegt.

19.02.2019 UPDATE: 20.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden

Aufrüstung bei der Messtechnik: Die bisher 14 Standorte in Stuttgart - hier an der Hohenheimer Straße - sollen um weitere 38 Messstellen ergänzt werden. Foto: Fabian Sommer

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Heidelberg. Einen Rest von Rebellentum schien sich der Amtschef des Verkehrsministeriums, Uwe Lahl (Grüne), noch leisten zu wollen: Zum Treffen des Koalitionsausschusses, der das Streitthema Dieselfahrverbote ausräumen sollte, trug Lahl am Dienstagvormittag eine Krawatte mit Fahrradmotiven.

Doch viel mehr Aufregung gab das Thema am Ende nicht mehr her, nach wochenlangem Hin und Her einigte sich die Koalitionsrunde auf ein Bündel an Maßnahmen, um Euro-5-Fahrverbote in Stuttgart noch zu verhindern.

Dazu gehören die Einrichtung einer Busspur zulasten des Autoverkehrs am besonders belasteten Neckartor und der Einsatz von fotokatalytischem Straßenbelag und von fotokatalytischer Farbe, die Stickstoffdioxid absorbieren sollen. "Wir wollen bessere Luft für Stuttgart", sagte Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) nach der Sitzung.

In Stuttgart gilt seit dem 1. Januar das bundesweit einzige flächendeckende Fahrverbot für Diesel der Euronorm 4 und schlechter. Die Regierung werde alles tun, um eine Ausdehnung auf Euro-5-Diesel ab 2020 zu vermeiden, sagte Strobl weiter.

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Die CDU hatte dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann vorgeworfen, vereinbarte Maßnahmen zu verschleppen. "Das Koalitionsklima war hoch belastet. Mich hat’s gestresst", bekannte Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag. Der Streit gilt nun als beigelegt. "Wir hatten etwas dicke Luft in den vergangenen Tagen. Jetzt ist sie klar und rein", zeigte sich Strobl mit dem erreichten Ergebnis zufrieden.

Er sagte den Grünen seinerseits ein klärendes Gespräch seines Generalsekretärs Manuel Hagel mit dem CDU-Politiker Daniel Hackenjos zu, der für Hermann einen Platz im Gefängnis gefordert hatte.

Die Beschlüsse im Überblick:

> Weitere Messstellen: Das bestehende Netz von derzeit 14 Messstellen soll um mindestens 38 Standorte, verteilt über alle Stadtbezirke, erweitert werden. Damit wird es in Stuttgart künftig 52 Messstellen geben. CDU-Landeschef Thomas Strobl hatte im Vorfeld die Zahl 50 ins Spiel gebracht, das Verkehrsministerium zunächst deutlich weniger vorgeschlagen. Insbesondere die CDU erhofft sich durch zusätzliche Messstellen "repräsentativere" Zahlen. Für die weiteren Kommunen im Land mit Grenzwertüberschreitungen sollen bis Ende März zusätzliche Standorte für Messstellen vorgeschlagen werden.

> Busspur: Kommen soll eine zusätzlich Busspur am "Hotspot" Neckartor, die zulasten des Autoverkehrs geht. Die Busspur muss das Land wahrscheinlich anweisen, da der Stuttgarter OB Fritz Kuhn wie auch der Stuttgarter Gemeinderat massive Rückstaus befürchten und die Maßnahmen ablehnen. Einen Kabinettsbeschluss für einen "Sonderfahrstreifen" hatte die Regierung eigentlich schon im Dezember verabschiedet.

> Fassadenfarbe: Bis Ende Februar sollen mehrere Liegenschaften des Landes sowie Lärmschutzwände im Bereich Neckartor mit fotokatalytischer Farbe versehen werden, die Schadstoffe abbauen soll. Bis Ende Februar sollen Verkehrs- und Finanzministerium zudem weitere Straßenzüge benennen, in deren Umfeld landeseigene Gebäude mit der Farbe versehen werden sollen. Zunächst intern geäußerte gesundheitliche Bedenken in Bezug auf Komponenten der Farbe konnten offenbar ausgeräumt werden.

> Straßenbelag: Vom 12. bis zum 18. April, der Woche vor Ostern, soll am Neckartor ein fotokatalytischer Straßenbelag aufgetragen werden - sofern eine noch ausstehende Risikobewertung auch hier keine Gesundheitsgefahren attestiert. Bis Ende März soll das Verkehrsministerium weitere Straßen benennen, die für die Maßnahme infrage kommen.

> Filterung: Die existierenden 17 Feinstaub-Filtersäulen am Neckartor sollen mit Kombifilterelementen versehen werden, die neben Feinstaub auch Stickstoffdioxid absorbieren. Das soll zwischen April und Juli geschehen. Bis Ende Februar soll das Verkehrsministerium zudem prüfen, an welchen weiteren "Hot Spot"-Lagen in Stuttgart Filter-Container aufgestellt werden können.

> Park&Ride: Fahrten zu Park&Ride-Anlagen außerhalb des unmittelbaren Talkessels werden sogar mit Euro-4-Dieseln möglich. "So schaffen wir Anreize und niederschwellige Möglichkeiten, um mit der Stadtbahn umweltfreundlich und schnell in die Stadt zu fahren", sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz.

> Kritik: "Auch 52 Messstellen machen die Luft in Stuttgart nicht sauberer", kritisierte BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender die Beschlüsse als "Dokument der Hilflosigkeit". Entscheidend für die Anordnung von Fahrverboten seien zudem nicht die Durchschnittswerte der Messungen, sondern die Stationen mit den schlechtesten Luftwerten, betont Dahlbender. "Hier streut die grün-schwarze Landesregierung den Bürgerinnen Sand in die Augen."

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, die Maßnahmen seien "alte Hüte". Die Koalition wolle sich nur über die Europa- und Kommunalwahlen Ende Mai retten.

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