FDP-Gemeinderätin Julia Goll (l.) mit ihrem Mann Ullrich Goll (r., ebenfalls FDP), dem ehemaligen Justizminister und Vize-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Foto: dpa
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Sigmaringen/Stuttgart. Johannes Kretschmann mahlt die Bohnen von Hand, kocht dann für den Gast einen Fair-Trade-Kaffee. Auf dem Holztisch der heimischen Küche in Sigmaringen-Laiz steht eine Vase mit drei Sonnenblumen. Es ist der Strauß, den er wenige Tage zuvor anlässlich seiner Nominierung erhalten hat: Johannes Kretschmann, 42, Religionswissenschaftler, ledig, tritt 2021 für die Grünen im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen für den Bundestag an. Das wäre erst mal keine Nachricht, die bundesweit Beachtung fände – wäre sein Vater nicht Winfried Kretschmann, seit 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ein grüner Erfolgsgarant.
Johannes Kretschmann. Foto: dpaWie also ist das, wenn man mit einem großen Namen ausgestattet in die politische Arena tritt. Ist das eher Vor- oder Nachteil, beides zugleich? "Die Erwartungen an mich sind wahrscheinlich höher als an andere", sagt Johannes Kretschmann. 2014 hat der freie Journalist und Autor erstmals für den Kreistag in Sigmaringen kandidiert. Um die Liste zu füllen, nicht um reinzukommen. Gewählt wurde er trotzdem. "Das war der Name, ohne Zweifel." Er hat ihm die Tür geöffnet. Nicht weniger, auch nicht mehr. "Wenn man Kommunalpolitik macht, ist das keine Show. Das ist harte Arbeit. Da ist der Name kein Vorteil. Im Gegenteil, er polarisiert oft."
Die Politik reizt ihn trotzdem. "Die Arbeit im Kreistag hat mich angefixt, weil ich gemerkt habe, wie relevant es ist, dass wir selbst als 10,7-Prozent-Partei für mehr Biodiversität auf öffentlichen Grünflächen sorgen können." 2016 trug ihm der Kreisvorstand die Kandidatur für den Landtag an, er lehnte ab. Zu nah am Vater. Dabei sind sie sich durchaus ähnlich: im Werben für den Klimaschutz; im Blick darauf, was mehrheitsfähig ist. Winfried Kretschmann gilt als Superrealo. Johannes Kretschmann ist bei den Realos organisiert, sucht aber das Gespräch mit den Parteilinken.
Bei den Kommunalwahlen 2019 legte er sich ins Zeug, warb selbst Kandidaten, die Grünen holten im Kreis 18 Prozent – und wählten Johannes Kretschmann zu ihrem Fraktionschef im Kreistag. Als ihm die Kandidatur für den Bundestag angetragen wurde, sagte er ja. Es ist ein anderes Spielfeld, keines, das der Vater schon besetzt hat. Bis dato war die Kandidatur eine reine Pflichtveranstaltung, die Niederlage eingeplant. Diesmal gibt es, dank des Höhenflugs der Grünen, leise Hoffnung. Erstmals kam es zu einer Kampfkandidatur. "Durch den Vorwahlkampf habe ich gemerkt: Politik heißt Spannung, Druck, Konflikt."
"Natürlich spielt der Name eine Rolle", sagt Julia Goll bei einer Tasse Kaffee im Stuttgarter Justizviertel. Goll, 55, Richterin am Landgericht, verheiratet, fünf Kinder, kandidiert 2021 für die FDP im Wahlkreis Waiblingen für den Landtag. Sie kämpft damit um die Nachfolge ihres Mannes, Ulrich Goll, 70, bis 2011 Vize-Ministerpräsident und Justizminister des Landes, und bis heute Abgeordneter. Sie ist ganz froh, dass sie bei der Nominierung einen Gegenkandidaten hatte, so kann niemand von einem Erbhof reden. Seit 1999 ist sie in der Kommunalpolitik aktiv. Am Anfang, sagt sie, habe sie vielleicht ein paar Vorschusslorbeeren erhalten. Bei den jüngsten Kommunalwahlen hat sie in Waiblingen das zweitbeste Wahlergebnis eingefahren, nur ein CDU-Bäckermeister war besser. "Das muss auch mit mir zu tun haben."
Dass die größere Bühne ihren Tribut fordern kann, ist ihr bewusst. Ihr Mann war zweimal FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, die Kinder mussten auf dem Weg zur Schule an verunstalteten Wahlplakaten vorbei. Aber sie will etwas bewegen. Und Abendtermine schrecken sie nicht, die hat sie auch als Gemeinderätin.
Stefan Teufel. Foto: privatBei der ersten Vereidigung seines Onkels Erwin Teufel zum Ministerpräsidenten 1991 saß Stefan Teufel, gerade volljährig, auf der Zuschauertribüne des Landtags. "Er war der richtige Ministerpräsident zu seiner Zeit." Jetzt sitzt Stefan Teufel, 48, Betriebswirt, verheiratet, drei Kinder, in der Pause eines langen Sitzungstages, auf der Terrasse der Landtagsgaststätte. Er hat selbst Karriere gemacht, ist mit Mitte 20 jüngstes Mitglied im Kreistag von Rottweil, seit 2006 direkt gewählter CDU-Abgeordneter in Stuttgart, seit 2016 Vize-Fraktionschef im Landtag. Auf Reisen wird er schon mal gefragt: Haben Sie etwas mit dem Erwin Teufel zu tun? Und er hat erfahren, dass schnell Schubladen aufgehen. Dass er auf die Familienpolitik seines Onkels reduziert wird, die wenig Bedarf für staatliche Betreuungsangebote sah.
Wenn ihn jemand politisch geprägt habe, dann sein verstorbener Vater, ein Landwirt, im Ehrenamt Vorsitzender des Kreisbauernverbands. Gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land, das sei das Motto des Vaters gewesen. Es ist auch das von Stefan Teufel. Beim berühmten Onkel, der den Nachbarwahlkreis vertreten hat, konnte er studieren, dass Politik Schattenseiten hat. Dass das Mandat ein Dauerzustand ist, kein Beruf mit festem Feierabend, freiem Wochenende. Geschreckt hat es ihn nicht. Der Gestaltungswille ist größer. Bei Stefan Teufel, Julia Goll, Johannes Kretschmann.