Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Kriminelle Rockergruppen stehen oft in enger Verbindung zum Prostitutionsmilieu. Das steht in einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage, die der RNZ vorliegt. Gut informiert fühlt sich Antragstellerin Sabine Wölfle (SPD) allerdings nicht. Sie wirft der Regierung mangelndes Engagement im Kampf gegen Menschenhandel vor. Kriminalität im Prostitutionsmilieu ist verbreitet, schreibt die Regierung unter Berufung auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Vermutlich sei die Dunkelziffer "aufgrund einer mangelnden Anzeigebereitschaft vieler Opfer verhältnismäßig hoch". Dafür spricht unter anderem, dass die Statistik im abgelaufenen Jahr erstmals seit 2012 keinen einzigen Fall der Ausbeutung von Prostituierten verzeichnet.
2016 gab es in Baden-Württemberg allerdings 40 Tatverdächtige im Bereich "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" und 15, denen die "Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger" vorgeworfen wurde.
Die Opfer sind überwiegend ausländischer Herkunft, weiblich sowie jugendlich oder heranwachsend, schreibt Innenminister Thomas Strobl (CDU). Die Täter profitierten oft von ungesichertem Aufenthaltsstatus, mangelnden Sprachkenntnissen oder finanziellen Notlagen der Betroffenen. Im Zeitraum 2012 bis 2016 gab es im Land fünf anerkannte Ermittlungsverfahren wegen Organisierter Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (ohne Glücksspiel).
Die SPD-Abgeordnete Sabine Wölfle hatte entsprechende Übersichten erfragt, sich auch nach den Nationalitäten der Opfer erkundigt. Während die Regierung auf diese Frage nicht einging, wurden andere nur allgemein beschieden. "Am besten man legt andere Quellen daneben - etwa das aktuelle Lagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes", klagt Wölfle. Unzufrieden ist die Abgeordnete auch mit den Auskünften zum neuen Prostituiertenschutzgesetz aus Berlin. Wölfle hatte gefragt, wo die Regierung dabei Möglichkeiten zur Verbesserung der Kriminalprävention sehe, und wie die Polizei später den Landratsämtern helfen soll, Prostituierte und Bordellbetreiber zu überprüfen: Von 2018 an fällt diese Aufgabe den unteren Verwaltungsbehörden zu.
Die Abgeordnete hatte auch vermerkt, dass es schwierig sei, Bordellbetreibern die Mitgliedschaft in einem kriminellen Verein nachzuweisen, wenn sie sie nicht von sich aus angäben. Das Innenministerium referiert in seiner Antwort unter anderem die Pflicht der Behörden, bei der Polizei abzufragen, "ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können".
Dabei sieht Wölfle im neuen Recht durchaus Chancen. "Ich wünsche mir von seiner Umsetzung, dass nicht wenige Bordellbetreiber in Baden-Württemberg in Zukunft keine Erlaubnis für ihr ,Gewerbe‘ erhalten und damit auch die Nachfrage für den ‚Import‘ von 18- oder 19-jährigen Mädchen insbesondere aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland reduziert wird", sagt sie.
Wenn ein Bordell Türsteher aus der kriminellen Rockerszene beschäftige, dann habe der Inhaber mit dieser Szene auch etwas zu tun. "Für die Ablehnung seines Antrags können und müssen auch weitere Fakten einbezogen werden. Es braucht zudem deutlich mehr Opferschutz und mehr finanzielle Mittel für Beratungsstellen." Das endgültige Ausführungsgesetz für Baden-Württemberg soll der Landtag bis zum 1. Januar 2018 beschließen. Übergangsweise müssen Altbetriebe ihr Gewerbe bis zum 1. Oktober 2017 beim Sozialministerium anzeigen, um es vorerst weiter betreiben zu dürfen. Bis zum 23. August hat das Ministerium 70 solcher Dokumente erhalten. Neugründungen sind ohne Erlaubnis nicht zulässig.