Von Jens Schmitz und Daniel Bräuer
Stuttgart/Heidelberg. Für Treffen mit möglichen Corona-Risikopatienten solle es vor Weihnachten kostenlose Schnelltests geben. Doch die Gelegenheiten dazu sind im Land sehr ungleich verteilt. Speziell in Südbaden haben viele Rettungshelfer gar nicht von der Möglichkeit erfahren, sich zu beteiligen. In der Rhein-Neckar-Region haben sich die Organisationen bewusst dagegen entschieden.
"Stille Nacht, einsame Nacht? Muss nicht sein!", heißt die Aktion, die das Sozialministerium gemeinsam mit vier großen Rettungsorganisationen am 23. und 24. Dezember auf die Beine stellt. Schnelltests in mehr als 120 Kommunen sollen Bürgern mehr Sicherheit bei der Frage verschaffen, ob sie bei besonders gefährdeten Angehörigen einen Weihnachtsbesuch riskieren können (wir berichteten).
Allein in Stuttgart soll es zehn Anlaufstellen geben, in Freiburg und zwei benachbarten Landkreisen dagegen gar keine, ebensowenig in Mannheim, Heidelberg oder dem Rhein-Neckar-Kreis.
Das Ressort von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) verwies am Freitag darauf, dass die Standorte von den beteiligten Organisationen ausgewählt wurden. Die Landesverbände von Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Malteser und Johanniter hätten abgefragt, welche Ortsgruppen teilnehmen wollten. Das Ministerium habe nur die Anzahl der verfügbaren Antigentests mitgeteilt (80.000). "Sie haben ihre Planungen danach ausgerichtet und selbst Standorte festgelegt, die von uns nicht weiter beeinflusst wurden."
Oder eben nicht. Der Landesverband habe die Informationen vergangenen Donnerstag verschickt – und schon am Freitagmittag Rückmeldung gebraucht, um die Standorte weiterzumelden, berichtet Hermann Nahm, Zugführer beim Malteser Hilfsdienst in Mannheim. "Die Organisation war in der Kürze der Zeit nicht zu stemmen." Beim ASB Rhein-Neckar war es nicht nur der kurze Vorlauf: Derzeit fehlten schlicht die Kapazitäten, so Sprecher Herwin Hadameck. "Die Kollegen sind bereits massiv gefordert", erklärt er – Tests in den fünf eigenen ASB-Seniorenheimen, zusätzliche Krankentransportfahrten vom und zum Uniklinikum, Desinfektion der Fahrzeuge nach jeder Fahrt mit einem Corona-Patienten.
"Wir haben alle gemeinsam beschlossen, unsere Kräfte sinnvoll einzusetzen und natürlich unsere Ressourcen zu kanalisieren, aber auch zu schützen", erklärte André Kühner, Ehrenamtsbeauftragter der Johanniter in Mannheim, in einer gemeinsamen Stellungnahme auch für Rotkreuz, Malteser, ASB und DLRG. Auch der Aufbau von Impfzentren und mobilen Impfteams binde die Kräfte von Haupt- und Ehrenamtlichen.
Nach RNZ-Informationen hatten zudem Gesundheitsämter Bedenken angemeldet. Hintergrund: Der Test ist eine Momentaufnahme und gibt nicht lange Sicherheit. Wer am 23. Dezember negativ getestet wird, könnte am 25. beim Verwandtenbesuch infektiös sein. Die Sorge: Die Aktion könnte zu Sorglosigkeit verführen und das Ziel, Kontakte zu verringern, unterminieren. Zumal bei nur 80.000 Tests eine viel größere Nachfrage zu erwarten wäre – also vor Ort Ärger, Frust oder, noch schlimmer, Gedränge an Teststationen.
In der Folge haben auch Verbände ihre Teilnahme abgesagt, die diese hätten stemmen können. "Das Rote Kreuz Rhein-Neckar/Heidelberg war vorbereitet", sagt dessen Präsident Jürgen Wiesbeck der RNZ. "Aber nicht zuletzt aufgrund der Bedenken aus dem Kreis der Gesundheitsämter und der unzureichenden Zahl von Tests haben wir zunächst von der Aktion Abstand genommen."
Dagegen erklärten Vertreter der DRK-Kreisverbände in Müllheim und Freiburg, sie seien nie gefragt worden. Beim DRK Baden, der Landesverband im Bereich Rastatt bis Konstanz, berichtet Pressesprecherin Karin Bundschuh, dass das Sozialministerium vor etwa zwei Wochen nach Testmöglichkeiten in Gebieten mit besonders hoher Inzidenz gefragt habe. "Danach hat es vom Sozialministerium nie eine Nachforderung gegeben", beteuert Bundschuh. Deshalb wurde in manchen Ortsgliederungen nie angefragt. So kommt es, dass nun zwar in Lörrach und Waldshut Tests angeboten werden sollen, nicht aber in Freiburg oder Breisgau-Hochschwarzwald, die zum Zeitpunkt der Anfrage noch relativ niedrige Inzidenzen hatte. "Überall dort, wo wir vom Ministerium angefragt wurden, wird auch getestet", so Bundschuh.
Im Rhein-Neckar-Raum ist das zumindest noch nicht ganz ausgeschlossen. Man such "im Moment mit allen Verantwortlichen nach Möglichkeiten", so Wiesbeck, "diese Aktion doch in Heidelberg und an Orten im Rhein-Neckar-Kreis an den Start zu bringen."