Rund 600 Hausarztstellen sind derzeit in Baden-Württemberg unbesetzt. Foto: dpa
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart/Freiburg. Mit einem Maßnahmenpaket, in dessen Zentrum der Ausbau der Studienplätze in Humanmedizin steht, will die grün-schwarze Landesregierung die medizinische Versorgung im ländlichen Raum stärken. Der Ausbau soll in diesem Jahr beginnen, die Zahl der Studienanfängerplätze pro Jahr um 150 erhöht werden. Die Gesamtzahl wird dann ab dem Studienjahr 2021/22 auf 1699 steigen. Mit 75 soll die Hälfte der neuen Plätze über eine Landarztquote vergeben werden, die ab 2021 greifen wird. Im Endausbau kalkuliert das Land ab dem Jahr 2027 mit jährlichen Mehrkosten von knapp 30 Millionen Euro für den knapp zehnprozentigen Aufwuchs der Studienplätze. Das geht aus einem zehn Seiten umfassenden Eckpunktepapier von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) für die erste Kabinettssitzung nach den Pfingstferien hervor, das dieser Zeitung vorliegt.
Hintergrund der Aktivitäten sind Lücken in der medizinischen Versorgung. Die Landesregierung geht davon aus, dass rund 665.000 Menschen in Baden-Württemberg keinen Hausarzt an ihrem Wohnort haben. Die Kassenärztliche Vereinigung spricht von rund 600 Stellen für Hausärzte, die derzeit unbesetzt sind. Nach Angaben des Sozialministeriums ist jeder dritte Hausarzt im Land über 60 Jahre alt.
Wissenschaftsministerin Bauer setzt bei der Lösung des Problems auf ein Bündel an Maßnahmen – und auf die fünf bestehenden Medizinischen Fakultäten in Tübingen, Ulm, Freiburg, Heidelberg und Mannheim. Jeder Standort wird seine Kapazitäten um 30 Studienanfängerplätze erhöhen.
Mit dem Ausbau verbunden ist die Einführung eines neuen Neigungsprofils "Ländliche Hausarztmedizin", das allen Studierenden offensteht. "Ziel des ’Landarzt-Tranks’ ist es, frühzeitig Begeisterung für dieses Tätigkeitsfeld zu wecken, die dafür notwendigen Kompetenzen zu vermitteln und einen klaren Karriereweg in die primärärztliche Versorgung zu bahnen", sagte Bauer am Freitag bei einer Veranstaltung in Freiburg. Die Studierenden können daher laut dem Eckpunktepapier in jedem Semester spezielle, aufeinander abgestimmte Ausbildungsmodule wählen, die sie auf eine Karriere in der Primärversorgung vorbereiten sollen. In den Kursen sollen sie auch mit regionalen Akteuren wie Hausärzten, aber auch Bürgermeistern und Landräten zusammengebracht werden. "Die Idee dabei ist, die Studierenden bereits frühzeitig für eine Region zu interessieren und, was noch wichtiger ist, Kontakte dorthin zu knüpfen", so Bauer.
Geplant ist zudem die Einführung einer Landarztquote ab 2021: Danach soll die Hälfte der 150 zusätzlichen Studienplätze Bewerbern vorbehalten werden, "die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums zehn Jahre als Allgemeinmediziner in einem unterversorgten Gebiet tätig zu sein". Die Einführung der Landarztquote war die Bedingung der CDU-Fraktion für die Zustimmung zum Maßnahmenpaket. Von Bauer ist bekannt, dass sie diesen Punkt skeptisch sieht.