Von Sören S. Sgries
Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat bereits am Dienstag klargemacht, wie er die Lage im Land nach Weihnachten sieht: "Einen kurzen scharfen Lockdown" will der Grüne machen, um das exponentielle Wachstum bei den Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. Die Menschen müssten sich auf strengere Ausgangsbeschränkungen und die Schließung von Läden einstellen, so Kretschmann. Gleichzeitig betonte er: Einen baden-württembergischen Alleingang soll es nicht geben. Gemeinsame Beschlüsse der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin sind ihm wichtig.
In Baden-Württemberg gibt es aus der Politik kaum Gegenstimmen gegen entsprechende Maßnahmen. Vor allem FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist es, der vor einem "Total-Lockdown" warnt. "Das wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik weiter erschüttern", so Rülke. Besser sei "eine differenzierte Strategie, die nicht einen Jojo-Effekt zum Ziel hat, sondern ein langfristiges Konzept."
Auch FDP-Landeschef Michael Theurer hatte im RNZ-Interview gesagt, man wäre zwar bereit "zu einem kurzfristigen harten Lockdown". Allerdings müsse gewährleistet sein, dass dieser den gewünschten Erfolg – nämlich die anschließende Nachverfolgbarkeit der Infektionsketten – gewährleiste. Daran habe er Zweifel. "Eine fast unbegrenzte Fortsetzung dieses ’Lockdown light’ wird in einem wirtschaftlichen und finanziellen Fiasko münden", so Theurer.
Ähnlich klingt SPD-Landeschef Andreas Stoch – mit dem Unterschied allerdings, dass er sich eben darum klar für einen harten Lockdown ausspricht. "Lieber zwei Wochen vernünftig als noch eine unendliche Zeit einen halben Lockdown, der nicht wirklich wirkt", so Stoch. "Wir können nicht mit einem leichten Lockdown drei, vier Monate vor uns hinwurschteln." Im Zeitraum zwischen Weihnachten und 6. Januar seien sowieso Ferien, Schulen und Kitas hätten zu. Auch industriell geschehe in diesen Tagen wenig, sagte Stoch – der volkswirtschaftliche Schaden wäre begrenzt. Er könne sich auch vorstellen, dass man am Abend des 23. Dezember den "Schlüssel rumdrehe", auch im Einzelhandel.
Auch beim Regierungspartner kann Kretschmann auf Zustimmung zählen. CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl verwies gegenüber der RNZ darauf, bereits Ende Oktober einen harten Lockdown von einer Woche gefordert zu haben. "Damals war meine Hoffnung, auf diese Weise Infektionsketten zu brechen und die Infektionszahlen deutlich nach unten zu bringen", so Strobl. "Damit hätten wir vermutlich mit besseren Zahlen in den Spätherbst und Winter gehen können."
Damals hatte er viel Widerspruch geerntet. Die Grünen schimpften über einen "medialen Schnellschuss". Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nannte Strobls Forderung, auch Schulen und Kitas zu schließen, damals "nicht verhältnismäßig". Inzwischen sieht die Lage anders aus. Mit Blick auf die Weihnachtsferien hält Eisenmann ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens bis zum 10. Januar für sinnvoll. "Wenn die schweren und tödlichen Infektionsverläufe sich so fortsetzen, scheint ein harter Lockdown unausweichlich", so die Ministerin. Und sie warnte die Bevölkerung: "Es wäre fatal zu glauben, dass man sich in den Tagen bis nach Weihnachten noch einmal austoben und mit vielen Freunden feiern kann."
Für das Frühjahr forderte sie "endlich eine echte Strategie, die ältere Menschen und andere vulnerable Gruppen schützt und verlässlich ein Stückchen Normalität unter Pandemiebedingungen ermöglicht". Dazu müsse man beispielsweise mehr Schnelltests einsetzen. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) solle sich doch mal, so die spitze Bemerkung Eisenmanns, mit dem grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer dazu austauschen.