Verhaftungen

Neuer "Reichsbürger"-Prozess: So trifft die Polizei Vorsorge

Mehr als 4.000 "Reichsbürger" gibt es allein im Südwesten. Jetzt greift die Polizei erneut zu. Es gibt eine Verbindung zwischen den Festgenommenen und einem eskalierten SEK-Einsatz in Boxberg 2022.

08.07.2025 UPDATE: 08.07.2025 12:14 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Vier Haftbefehle im "Reichsbürger"-Milieu vollstreckt
Wieder ist die Polizei in Boxberg im Einsatz.

Boxberg/Mosbach (dpa/lsw) - Dieses Mal dürften die mutmaßlichen "Reichsbürger" dem Prozess nicht so einfach entkommen wie im Mai: Die Polizei hat in Boxberg (Main-Tauber-Kreis) vier Angeklagte verhaftet. Ein Fünfter sitzt schon seit ein paar Wochen in Untersuchungshaft. Es geht unter anderem um Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Die zwei Frauen und drei Männer sollen mit jenem Mann aus Boxberg "freundschaftlich verbunden" sein, bei dem vor mehr als drei Jahren ein Polizeieinsatz eskaliert war. Der für Anfang Mai angesetzte Prozess gegen die Fünf am Landgericht Mosbach platzte, weil die Angeklagten nicht erschienen. Selbst die Verteidiger gaben an, keinen Kontakt zu ihren Mandanten zu haben.

Innenminister äußert sich

Das Gericht hat inzwischen den Prozessauftakt auf den 28. Juli terminiert. Und seit Dienstag sind zwei Frauen im Alter von 24 und 51 Jahren sowie zwei Männer im Alter von 25 und 27 Jahren in Gefängnissen. Den fünften Angeklagten - einen 52-Jährigen - hatte die Polizei schon am 18. Juni bei einer Verkehrskontrolle festgenommen, wie ein Sprecher sagte.

Laut Innenminister Thomas Strobl waren am Morgen rund 100 Kräfte im Einsatz, darunter Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) und des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg. Die Maßnahmen hätten an zwei Wohnanwesen und einem Waldgrundstück stattgefunden, sagte der CDU-Politiker. Es habe dabei keine besonderen Vorkommnisse gegeben.

Verurteilt wegen Mordversuchs 

Die Polizei war nach eigenen Angaben auf dem Gelände im Einsatz, auf dem im April 2022 SEK-Kräfte das Haus eines "Reichsbürgers" wegen einer Waffe durchsuchen wollten, für die er keine Erlaubnis hatte. Der damals 50-Jährige feuerte mit seinem vollautomatischen Gewehr auf die Beamten, zwei von ihnen wurden verletzt. Der Mann wurde 2023 wegen versuchten Mordes verurteilt.

Vorwurf der Jagdwilderei

Den 25-Jährigen und die beiden Frauen nahmen die Spezialkräfte in einem Anwesen fest. Der 27-Jährige habe versucht zu fliehen. Die Polizei habe ihn nach kurzer Zeit festgenommen. Im Anschluss hätten die Beamten das Gelände wegen des Vorwurfs der Jagdwilderei durchsucht. 

Die Einsatzkräfte fanden laut Mitteilung diverse waffenrechtlich relevante Gegenstände, "insbesondere auch eine augenscheinlich schussbereite Maschinenpistole samt entsprechender Munition". Es stehe aber noch eine abschließende waffenrechtliche Prüfung aus. "Dem Einsatz vorausgegangen waren umfangreiche, jedoch ergebnislose Bemühungen der Polizei, die mit Haftbefehl gesuchten Personen dazu zu bewegen, sich freiwillig zu stellen."

Neuer Prozess ab 28. Juli

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft den fünf weiteren Angeklagten vor, im April und Mai 2022 unter anderem über neun Schusswaffen, darunter ein Schnellfeuergewehr, verfügt zu haben. Sie hätten auf demselben Areal und teilweise im selben Gebäude gewohnt wie der 2023 Verurteilte. Zudem sollen zwei der Angeklagten insgesamt 38 Cannabis-Pflanzen angebaut haben. 

Für den neuen Prozess hat das Landgericht Mosbach ab 28. Juli fünf Termine angesetzt. Am 8. August könnte demzufolge ein Urteil verkündet werden. Bei einer Verurteilung droht eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft. 

Vor dem Prozessauftakt im Mai hatten die Angeklagten nicht in Untersuchungshaft gesessen. Das ist nun anders.

Mehr als 4.000 Menschen in der Szene im Südwesten

Die Szene der "Reichsbürger" und sogenannten Selbstverwalter ist vielfältig. Gemeinsam haben sie, dass sie die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. In Baden-Württemberg ist die Zahl 2024 laut Verfassungsschutz auf rund 4.200 gestiegen, bundesweit sind es etwa 25.000.

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