Unsitte Elterntaxi

Wenn Mama und Papa Chauffeur spielen

"Elterntaxis" sind ein gefährlicher Luxus für Schüler

01.04.2019 UPDATE: 02.04.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 45 Sekunden

"Nur kurz" mal vor der Schule halten: Selbst Eltern, die direkt in der Nähe wohnen, fahren ihre Kinder regelmäßig zum Unterricht - und gefährden damit andere. Fotos: Marijan Murat

Von Christine Frischke

Stuttgart. Kurz vor acht Uhr morgens wird es vor der Stuttgarter Grundschule Sommerrain hektisch. Gleich beginnt die erste Stunde und auf der schmalen Straße rollt Auto um Auto heran. Türen werden aufgerissen, Schulranzen aus Kofferräumen geladen. Einige Eltern nehmen ihre Kinder an der Hand und geleiten sie bis vors Schultor. Andere Sprösslinge hüpfen unbekümmert auf der Straßenseite aus dem Wagen.

Mit jedem haltenden Auto füllt sich die Liste der Mitarbeiter des ACE Auto Club Europa. Sie haben sich an diesem Montagmorgen vor der Schule positioniert, um mögliche gefährliche Situationen im Straßenverkehr zu dokumentieren. Im Halteverbot geparkt? Ein Strich. Auf dem Gehweg gehalten? Strich. Auf der Fahrbahnseite ausgestiegen? Noch ein Strich.

Über 50 Autos zählen sie, 18 Verkehrsverstöße halten sie fest. Dabei wohnen viele der rund 450 Grundschüler nur wenige Minuten Fußweg entfernt. "Vor vielen Schulen im Land herrscht vor Schulbeginn Chaos", sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

"Wir waren überrascht, wie viele Eltern ihre Kinder fahren", berichtet der Regionalbeauftragte des Autoclubs, Reinhard Mohr, und schildert eine besonders brenzlige Situation: Ein "Elterntaxi" hielt mitten auf der Straße an. Ein Kind stieg aus, ohne auf den Verkehr zu achten - und wurde fast von einem Postmitarbeiter auf einem Elektrorad erfasst.

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Und was sagen die Chauffeure? Der Vater eines Zweitklässlers hat seinen Wagen "nur kurz" im Kreuzungsbereich gestoppt. Den rund 20-minütigen Schulweg möchte er seinem jungen Sohn noch ersparen, erklärt er. "Wenn er größer ist, dann kann er sich auch allein an der Straße zurechtfinden." Auch die Mutter eines anderen Zweitklässlers findet es sicherer, ihren Jungen zur Schule zu fahren. Eine andere Mutter argumentiert, es sei einfach praktischer, den Nachwuchs auf dem Weg zur Arbeit mitzunehmen und direkt vor der Schule abzusetzen.

Man höre oft ähnliche Argumente, sagt Mohr: Die Eltern haben es eilig, müssen Termine wahrnehmen, das Kind in den Tagesablauf integrieren. "Bequemlichkeit kommt eher nicht zur Sprache."

Die Sommerrainschule bemüht sich aktiv, den Verkehr einzudämmen. Wer sein Kind anmeldet, bekommt ein Merkblatt ausgehändigt. Die Bitte darauf: Den Nachwuchs zu Fuß zur Schule bringen - oder zumindest in einiger Entfernung an sicheren Stellen zu parken. Schüler, die zu Fuß kommen, sammeln außerdem Punkte. Das soll Anreize schaffen und - so die Hoffnung - mit den Kindern die Eltern gleich miterziehen.

"Viele Eltern wissen eigentlich, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist", sagt Schulleiterin Ruth Möller. Doch gerade Familien, die im näheren Umkreis leben, seien mitunter am schwersten zu belehren.

Unterstützt wird Möller vom Verkehrsministerium. Minister Hermann will Eltern mehr in die Pflicht nehmen: "Sie missachten, dass sie durch ihr Verhalten die Sicherheit aller anderen Kinder im Verkehr gefährden." Kinder sollten frühzeitig lernen, sich im Straßenverkehr zu bewegen. Nicht zuletzt sei das zu Fuß gehen auch gesünder.

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