Überfüllte Gefängnisse

Insassen müssen sich im Südwesten oft die Plätze "teilen"

Gewerkschaft warnt vor Sicherheitsproblemen - Teilweise 60 Gefangene pro Vollzugsbeamtem

20.10.2017 UPDATE: 21.10.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden
Gefängnis

Symbolfoto: Felix Kästle/dpa

Von Jürgen Ruf

Freiburg/Stuttgart. Mit einem dramatischen Appell für mehr Haftplätze und Personal hat sich die Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten an die Landesregierung gewandt. "In manchen Anstalten kommen auf einen Vollzugsbeamten bis zu 60 Gefangene", sagte der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), Alexander Schmid, am Freitag in Freiburg. Dies gefährde die Sicherheit und mache die angestrebte Resozialisierung der Inhaftierten unmöglich. Landesweit fehlten 800 Haftplätze und 300 Bedienstete. Auch Justizminister Guido Wolf (CDU) sprach von einer Überbelegung der Gefängnisse.

In der JVA Stuttgart-Stammheim wurde zugleich ein Neubau seiner Bestimmung übergeben - nach Justizangaben aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts zu vieler überfüllter Gefängnisse im Land.

"Die Uhr steht im Strafvollzug auf fünf nach zwölf", sagte Schmid bei der Tagung seiner Gewerkschaft vor rund 150 Delegierten in Freiburg. "Die Gefängnisse platzen aus allen Nähten", vor allem in den vergangenen zwei Jahren habe sich die Lage verschärft.

Die Zahl der Gefangenen sei landesweit seit Ende 2015, bei gleich bleibender Infrastruktur und Personalstärke, um rund 1000 gewachsen. Zudem sei die durchschnittliche Verweildauer von 41 auf nun 50 Monate gestiegen, der Ausländeranteil von 31 auf 46 Prozent. Ethnische und religiöse Auseinandersetzungen seien die Folge. Auch die Zahl von Gefangenen, die zum Beispiel wegen Traumatisierung oder Drogenproblemen speziell betreut werden müssen, habe zugenommen.

Die Beschäftigten setze dies unter Druck. Einzelzellen würden mit zwei Gefangenen belegt, in Zweierzellen seien es bis zu vier Gefangene. Durch diese räumliche Enge steige die Gefahr von Konflikten. In der Debatte um mehr Innere Sicherheit sei es bislang zu wenig um den Strafvollzug gegangen. "Eine Polizeistreife ist, auch aus Gründen der eigenen Sicherheit, nie mit weniger als zwei Beamten unterwegs", sagte Schmid: "In den Gefängnissen steht ein Beamter bis zu 60 Inhaftieren gegenüber." Die Politik müsse handeln.

Ende August saßen nach Angaben des Ministeriums 7410 Gefangene im Südwesten hinter Gittern - Platz ist aber eigentlich nur für 7301. "Die Belegungssituation ist gegenwärtig das bestimmende Thema im baden-württembergischen Justizvollzug", sagte Minister Wolf. "Wir haben seit Ende des Jahres 2015 eine Überbelegung, die sich nur mit dem herausragenden Engagement der Mitarbeiter bewältigen lässt." Das Land sehe ein, dass es mehr Personal brauche. 67 neue Stellen habe es in diesem Jahr bereits geschaffen, 151 weitere seien im Regierungsentwurf des neuen Haushaltes eingeplant.

Dies sind weniger, als von der Gewerkschaft gefordert. Jedoch ein Schritt in die richtige Richtung, wie die Gewerkschaft betont. "Es geht uns nicht nur um Personalstärke", sagte Gewerkschaftschef Schmid. "Uns fehlt auch Wertschätzung, die uns entgegengebracht wird." Er verlangte mehr Geld für die im Strafvollzug Beschäftigten, bessere Arbeitsbedingungen sowie eine intensivere Suche nach Auszubildenden. Das Berufsbild habe ein schlechtes Image, diesem müsse entgegengewirkt werden.

Es räche sich nun die Politik früherer Jahre, sagte Schmid weiter. In den Jahren bis 2015, als die Gefangenenzahlen landesweit zurückgingen, seien Gefängnisse geschlossen worden, unter anderem in Ellwangen und Pforzheim. Diese fehlten nun.

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