In den USA zählt der rassistische Ku-Klux-Klan rund 8000 Mitglieder. Foto: dpa
Von Julia Giertz und Bettina Grachtrup
Stuttgart. Innenminister Reinhold Gall (SPD) gerät wegen des NSU-Komplexes unter Druck: Sowohl die Gewerkschaft der Polizei als auch die Türkische Gemeinde Deutschlands verlangten lückenlose Aufklärung. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger Seidenspinner, forderte Gall auf, einem Bericht über das Interesse mehrerer Polizisten für den rassistischen Ku Klux Klan (KKK) nachzugehen. "Wenn das stimmen würde, wäre das der absolute Hammer", sagte Seidenspinner am Dienstag in Stuttgart mit Blick auf eine Meldung der "Stuttgarter Nachrichten". "Jedes Kind weiß, was der KKK ist."
Nach Informationen der "Stuttgarter Nachrichten" haben sich 10 bis 20 Beamte um Aufnahme in die rassistische Vereinigung KKK bemüht. Ein Stuttgarter Polizistenpaar soll unmittelbar vor einer Aufnahme in die Gruppe gestanden haben, die sich 2002 auflöste. Der Chef des Geheimbundes aus Schwäbisch Hall soll ironisch angemerkt haben, er habe erwogen, einen "Polizeibeauftragen für den Klan zu benennen".
Bislang ist nur bekannt, dass zwei Polizisten 2002 der rassistischen Gruppe "European White Knights of the Ku Klux Klan" angehört hatten. Einer der beiden war Gruppenführer der 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter. Der Klan-Chef saß in Schwäbisch Hall. Das Innenministerium verwies auf den NSU-Untersuchungsausschuss, der sich mit dem KKK-Komplex befassen werde. "Der soll untersuchen, was gelaufen ist", sagte ein Sprecher von Ressortchef Gall.
Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) bestätigte dies. Parallelermittlungen der Exekutive seien nicht sinnvoll. "Alle anderen Behörden sollten uns nicht ins Handwerk pfuschen." Das Landtagsgremium werde in das Thema KKK einsteigen, sobald der Sonderermittler des Bundestages zum Fall "Corelli" seinen für Mai zugesagten Bericht vorgelegt habe. "Corelli" war V-Mann des Bundesverfassungsschutzes und soll Informationen über den KKK an den Geheimdienst weitergegeben haben. Er war nach einem Zuckerschock infolge einer unerkannten Diabetes-Krankheit 2014 tot in seiner Wohnung in Paderborn aufgefunden worden.
Die Türkische Gemeinde will, dass Gall auch "merkwürdige Zufälle" im NSU-Komplex aufarbeitet, wie den Tod der NSU-Zeugin und ihres Ex-Freundes Florian H. Sie plant eine Mahnwache vor dem Innenministerium am Mittwoch, zu der sie auch den Ressortchef erwartet. "Es ist nicht die Zeit zu schweigen", sagte Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Für Sofuoglu ist es wichtig, dass schwarze Schafe in der Polizei gefunden werden, damit nicht die Polizei als Ganzes diskreditiert wird.
Der NSU-Ausschuss hat auch beim Umgang mit den Beweismitteln, die die Polizei im ausgebrannten Auto des Ex-Neonazis Florian H. übersehen hatte, die Federführung. Das Gremium erhielt inzwischen weitere Gegenstände in diesem Fall. Die Familie des Verstorbenen habe unter anderem einen Computer aus Florians Zimmer, zwei Handys sowie einen Speicherstick übergeben, sagte Drexler. Der Ausschuss will die Sachen von einem unabhängigen Sachverständigen untersuchen lassen.
Wann mit den Ergebnissen der vertieften Untersuchung der Todesursache der NSU-Zeugin zu rechnen ist, ist noch unklar. Es kann sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft Karlsruhe auch um Wochen handeln.