Als Gespräch von "sehr, sehr großer Intensität" empfand Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l., Grüne) die Begegnung mit Papst Franziskus. Innenminister Thomas Strobl (r., CDU) zeigte sich beeindruckt von der Jugendlichkeit des Papstes. Foto: Uli Deck
Von Bettina Wieselmann, RNZ Stuttgart
Rom. Ganz laut schlägt St. Peter, wenige hundert Meter entfernt. Die Journalisten hören es, oben auf der Terrasse des nahen Hotels Paul VI. Lieber wären sie im Apostolischen Palast, der an diesem Freitag für sie unzugänglich ist. Nur einen Kameramann und einen Fotografen hat das strenge Vatikan-Protokoll der baden-württembergischen Delegation unter Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann, begleitet von der deutschen Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, für die Audienz in der päpstlichen Bibliothek zugestanden. Nach der "Begrüßung durch den Dekan der Anticamera Pontificia" geht dort Punkt halb elf die Tür auf: Jorge Mario Bergoglio, genannt Franziskus, empfängt Kretsch-mann. Erst später wird ihm die Delegation vorgestellt.
"Mindestens 30 Minuten", so der mit der Gruppe wartende Innenminister Thomas Strobl (CDU) zwei Stunden später bei der Pressekonferenz, habe die Privataudienz gedauert. Kretschmann, zur Feier des Tages mit lila Krawatte bestückt, berichtet von der "sehr, sehr großen Intensität" mit der der "wache, neugierige" Papst, für den sich "die katholische Kirche preisen" könne, mit ihm darüber gesprochen habe, wie die ökologische mit der sozialen Frage verknüpft werden müsse. Und vom "großen Respekt" des Papstes für Angela Merkels Flüchtlingspolitik berichtet Kretsch-mann. Sichtbar beeindruckt sagt der Katholik: "Es war ein großes Erlebnis."
Der Protestant Strobl steht nicht zurück: Das gelte ganz genauso auch für ihn. "Aus der Nähe" betrachtet sei der 79-jährige Papst im Übrigen "viel jünger als tatsächlich". Der Ministerpräsident erwähnt, dass er Franziskus "noch ein religiöses Anliegen" auf den Weg mitgegeben habe: die Frage der Ökumene auch unter praktischem Gesichtswinkel zu sehen. Allein in Baden-Württemberg wüchsen über 40 Prozent der Kinder in konfessionsunterschiedlichen Ehen auf.
Kretschmann, der als Bundesratspräsident schon 2013 bei der Amtseinführung von Franziskus dabei war, wird wie seine auch gern nach Rom pilgernden Kollegen von Volker Bouffier (CDU) bis zu Bodo Ramelow (Linke) vom Vatikan als Ministerpräsident protokollarisch wie ein Regierungschef behandelt. Es sind schließlich die Länder, die mit dem Vatikanstaat über Konkordate vertraglich gebunden sind.
Wie grün Papst Franziskus denkt, hatte der gerade mit neuen Höchstwerten auf der Populationskurve punktende "Papst" der Grünen schon tags zuvor bei der "Vesper des Heiligen Vaters anlässlich des weltweiten Tags zur Bewahrung der Schöpfung" im Petersdom gehört. "Mit jedem Menschen auf dem Planeten" wolle er den Dialog "über die quälenden Leiden der Armen und die Zerstörung der Umwelt" aufnehmen, hieß es im Predigttext des Papstes, den ein Franziskaner vortrug. Der Zusammenhang zwischen Erderwärmung und der "entsetzlichen Krise der Zwangsmigration", die "ökologische Schuld des Nordens gegenüber dem Süden" wurden ebenso thematisiert wie die Aufforderung zum Kurswechsel: Plastik und Papier sollten bedachtsamer gebraucht werden, mehrere Personen sich ein Auto teilen, als Zeichen gegen die sündhafte "unverantwortliche Ausbeutung der Erde".
Zur Vorbereitung auf den gestrigen Höhepunkt der zweitägigen Rom-Reise war der Termin wie gemacht: "Einen besseren Tag für die Audienz gibt es ja gar nicht", freute sich auch Annette Schavan. Sie hatte am Vorabend in den Garten ihrer auf italienischem Grund gelegenen Botschaft geladen. Ob ihres besonderen Status ist sie für die weiterhin in Ulm gemeldete Botschafterin die schönste Botschaft schlechthin. Es könne nur "der ultimative Wunsch eines jeden Politikers sein, zum Abschluss seiner Karriere Botschafter beim Heiligen Stuhl zu werden." Schavan ist sich sicher, es noch eine Weile zu bleiben.
Wer zum Papst kommt, bringt etwas mit: Franziskus kann, auf Anregung von Annette Schavan, jetzt eine Jugendstil-Ausgabe von Hermann Hesses "Unterm Rad" in seine Bibliothek stellen. Dazu gab es noch einen Stich vom Kloster Maulbronn. Der Papst reichte Kretschmann ein Bronzegussrelief vom heiligen Martin als Geschenk. Die Delegationsmitglieder, darunter vier Vertreter der Landtagsfraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP, freuen sich über ein rotes Kästchen mit einem Rosenkranz. "Beten Sie für mich", sagte der Papst, als er es Peter Hofelich (SPD) überreicht, der später vom "wachen, offenen, heiteren Gesicht des Heiligen Vaters" schwärmt.