Schicksale badischer Minister nach Kriegsende

"Von Reue keine Spur" – Erst im Kabinett, später verbittert

07.05.2015 UPDATE: 08.05.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 15 Sekunden

Karl Pflaumer, erst Heidelberger Polizeibeamter, dann badischer Innenminister.

Von Sören S. Sgries 

Baden im Nationalsozialismus - das war eine Art "Musterländle". "Die Ministerialbeamten haben sich damit hervorgetan, die Verordnungen vom Reich als erste umzusetzen", sagt Frank Engehausen, Koordinator des Forschungsprojekts zur Geschichte der Landesministerien zwischen 1933 und 1945. An der Spitze, neben Reichsstatthalter Robert Wagner, standen Männer, die "besonders gründlich" umsetzen wollten, was aus der Reichshauptstadt Berlin an Neuerungen kam. Doch was wurde aus diesen Ministern nach Kriegsende? Drei Beispiele, vorgestellt von den Heidelberger Historikern Frank Engehausen, Katrin Hammerstein und Miriam Koch.

Walter Köhler, Ministerpräsident: "Von Reue keine Spur, er war bis an sein Lebensende überzeugter Nationalsozialist", so das Urteil von Frank Engehausen über den badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler.

Geboren am 30. September 1897 in Weinheim, absolvierte Köhler zunächst eine Banklehre, meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger und geriet 1916 in britischen Gefangenschaft. Nach seiner Freilassung führte er die elterliche Kolonialwarenhandlung und begann seine Parteikarriere. Bereits am 20. Juni 1925 trat er in die NSDAP ein und übernahm rasch Leitungsfunktionen. "Ihm halfen seine kommunikativen und organisatorischen Talente", sagt Katrin Hammerstein. Köhler stieg auf: 1926 wurde er Stadtverordneter, 1929 zog er in den Landtag und wurde Vorsitzender der NSDAP-Fraktion. Frei nach dem Motto "Ein alter Parteigenosse kann alles" wurde er, ohne wirkliche Qualifikation, am 11. März 1933 zum kommissarischen Leiter des badischen Finanzministeriums ernannt, knapp zwei Monate später, am 6. Mai, zum Ministerpräsidenten sowie Finanz- und Wirtschaftsminister.

1945 wurde er von den Franzosen verhaftet. Aus dem ersten Spruchkammerverfahren ging er, der ehemalige Ministerpräsident und überzeugte NSDAP-Anhänger, als "minderbelastet" hervor. Nur "repräsentativ" sei sein Amt gewesen, hatte er sich herausgeredet. Zahlreiche Entlastungszeugen konnten er aufbieten, speziell Kontakte zur (Wirtschafts-)Prominenz zahlten sich aus. Und: Er konnte, wie viele andere, die Verantwortung auf den Reichsstatthalter Wagner abwälzen, der 1946 für seine Elsass-Politik zum Tode verurteilt worden war.

"In seinen Lebenserinnerungen schreibt er", so Hammerstein, "dass es ihm richtiggehend unangenehm war, wie gut er sich aus der Affäre ziehen konnte." Seine Überzeugung wollte er schließlich nicht verleugnen, das habe er als "charakterlos" empfunden. Und auch wenn er in einem zweiten Verfahren, 1950, immerhin die Einstufung "belastet" verpasst bekam: Die "Schlussstrich-Mentalität" in der frühen Bundesrepublik, wie es Engehausen formuliert, verhinderte eine echte Aufarbeitung seines Wirkens. Dass er unter anderem die Letztentscheidung über die Arisierung von jüdischen Firmen hatte - es spielte kaum eine Rolle.

Köhler profitierte in der Bundesrepublik von seiner NS-Karriere. In Karlsruhe baute er eine Versicherungsagentur auf, sein Netzwerk aus Wirtschaftsminister-Zeiten erfolgreich nutzend. Am 9. Januar 1989 starb er in Weinheim.

Karl Pflaumer, Innenminister: Ein "Handlanger" des Reichsstatthalters, "nie so mächtig wie Wagner oder Köhler" - so schätzt Miriam Koch den badischen Innenminister Karl Pflaumer ein. Dieses Amt ist der Höhepunkt eines ansonsten wenig beeindruckenden Lebenslaufes.

Geboren am 27. Juli 1896 in Rauenberg (Wertheim) findet Pflaumer im Ersten Weltkrieg seine Obsession: Das Militärische reizt ihn. Nach der Rückkehr aus französischer Gefangenschaft fängt er daher 1920 bei der Heidelberger Polizei an. Durch wiederholte Besuche bei NSDAP-Veranstaltungen (er selbst tritt im Mai 1929 ein) gerät er in Konflikt mit seinen Vorgesetzten, der schließlich Ende Februar 1929 de facto zur Entlassung aus dem Polizeidienst führt. Ab 1930 ist er Heidelberger Stadtrat, 1933 wird er Innenminister. Eine seiner ersten Handlungen: Er rächt sich an den demokratischen Beamten, die einst seine Polizeikarriere beendeten, lässt sie verprügeln, inhaftieren. Er "säubert" die Verwaltungen, legt die Grundlagen für die spätere systematische Verfolgung und Deportation der badischen Juden.

Nach Kriegsende scheitert ein Fluchtversuch in die Schweiz. Pflaumer wird von der französischen Armee interniert, 1950 beginnt das Spruchkammerverfahren, das ihn als "Belasteten" einstuft. Auf die Beine kommt er nicht mehr, mit Gelegenheitsarbeit schlägt er sich durch. "Die Nachkriegszeit über ist er damit beschäftigt, Gnadengesuche einzureichen", so Koch. Er will seine Ministerpension. Vergeblich. Am 3. Mai 1971 stirbt er in Rastatt. Reuig gezeigt hat er sich nicht.

Paul Schmitthenner, Staatsminister: Als "Sonderfall unter den Ministern, weil er eigentlich gar kein Nazi war", beschreibt Frank Engehausen den Heidelberger Militärhistoriker Paul Schmitthenner.

Geboren am 2. Dezember 1884 in Neckarbischofsheim, ist Schmitthenner etwas älter als die Kabinettskollegen. Aus dem Ersten Weltkrieg kehrt er als hochdekorierter Offizier heim, beginnt 1919 das Geschichtsstudium in Heidelberg, promoviert, habilitiert. Politisch gehört er für die Deutschnationale Volkspartei DNVP - "er hat dem Kaiser nachgetrauert", so Engehausen - dem Landtag an. Als 1933 in Baden nach Berliner Vorbild eine Koalitionsregierung aus NSDAP und DNVP gebildet werden soll, wird er ins Kabinett berufen. Allerdings nicht auf den von ihm gewünschten Posten des Kultusministers, sondern als Staatsminister ohne Ressort. Im Oktober 1933 tritt er in die NSDAP ein.

Mit dem politischen Rückhalt macht er jetzt an der Universität Heidelberg die Karriere, die ihm zuvor versagt wurde: im Mai 1933 Ernennung zum planmäßigen außerordentlichen Professor, 1937 zum ordentlichen Professor für Wehrpolitik und im November 1938 zum Rektor der Universität. Erst 1940 wird er nach dem Tod seines Vorgängers kommissarischer Leiter des Kultusministeriums und damit auch verantwortlich für die Bildungspolitik im Elsass.

Bei Kriegsende flieht er bis nach Österreich, ins Schloss Wiesberg, das der Landfried-Familie seiner Frau Emma gehört. Doch auch er wird letztlich verhaftet und erlebt eine "Odyssee" durch verschiedene Internierungslager. "Er hat diese Zeit offensichtlich nicht verwunden", berichtet Engehausen aus Lebenserinnerungen, die Schmitthenner der Familie hinterließ. Von "amerikanischen Konzentrationslagern" spreche er darin, da sei "ganz große Verbitterung" spürbar. Schmitthenner stirbt am 12. April 1963 in Heidelberg.

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