Südwest

Rektoren: Digitales Studium hat gravierende Folgen

Die vollständige Umstellung auf Online-Lehrbetrieb wegen der Corona-Pandemie macht den Universitäten im Südwesten zu schaffen. Die Rektoren sehen für die Studierenden Schwierigkeiten voraus - und fordern eine baldige Rückkehr zu mehr Präsenzveranstaltungen.

05.11.2020 UPDATE: 05.11.2020 15:24 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Hörsaal der Uni Heidelberg. Archivfoto: Philipp Rothe

Stuttgart/Heidelberg. (dpa/lsw) Die Universitätsspitzen im Südwesten schlagen Alarm: Die coronabedingte Rückkehr zur ausschließlich digitalen Lehre hat aus Sicht der Landesrektorenkonferenz gravierende Folgen für die Studierenden. "Die beiden Digitalsemester führen beispielsweise in den Buchwissenschaften dazu, dass Bachelorstudierende ein Drittel  ihrer Studienzeit die Universität nicht betreten werden und keinen direkten Austausch mit den Lehrenden oder Kommilitonen haben", sagte Stephan Dabbert, Vorsitzender des Gremiums. "Dies wird sich zwangsläufig auf die Studiendauer und den Studienerfolg auswirken", fügte der Rektor der Universität Hohenheim in Stuttgart hinzu.

Der Heidelberger Rektor Bernhard Eitel unterstrich in einer Begrüßungsmail zum Studienstart unter anderem die Hürden für die 5000 Erstsemester und neu in Heidelberg eingeschriebenen Studierenden: "Die aktuellen Umstände erschweren es massiv, sich untereinander kennenzulernen, Informationen auszutauschen und ein Studium auch als Lebensabschnitt zu organisieren."

Die FDP im Landtag kritisierte, dass die Landesverordnung die Schulen aktuell als Teil des für die Zukunft der Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereichs "Schule und Bildung" offen halte, nicht aber die Hochschulen. "Das ist für die Studierenden und auch die Hochschulverantwortlichen doch der blanke Hohn, die hochschulische Bildung trotz umfassender Hygienekonzepte nicht von der Schließung auszunehmen", sagte der liberale Hochschulexperte Nico Weinmann.

Die Präsenz-Lehre der Hochschulen ist nach den bundesweiten Beschlüssen bis zum 30. November ausgesetzt; digitale Formate und andere Fernlehrformate sind laut der Corona-Verordnung des Landes zulässig. Ausnahmen gelten etwa für Laborpraktika und Prüfungen. Rektor Dabbert hätte sich in der erst am Wochenende vor dem Semesterstart veröffentlichten Verordnung die Erlaubnis gewünscht, die ursprünglichen Planungen eines reduzierten Präsenzbetriebs unter strikten Hygieneauflagen umzusetzen.

Das Land Baden-Württemberg habe sich auch auf Bundesebene dafür eingesetzt - sei aber leider nicht erfolgreich gewesen. Auch bei den noch zugelassenen Praxisveranstaltungen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie in der Medizin sieht Dabbert Probleme. Sie fänden häufig gestrafft unter erschwerten Bedingungen statt. "Auch das wird Konsequenzen haben." Er fügte hinzu: "Wenn man uns auch nach Weihnachten nicht wieder schrittweise in die Normalität zurückkehren lässt, wird die Qualität von Forschung und Lehre in Baden-Württemberg ab dem Jahr 2021 massiv beeinträchtigt."

Erschwerend komme hinzu, dass die Studienanfänger des Jahrs 2021 aufgrund des eingeschränkten Schulbetriebs mit größeren Lücken als die diesjährigen Abiturienten ihr Studium beginnen würden. Die Universitäten hätten nicht die Mittel und das Personal, um im nächsten Jahr den Nachholbedarf aller Studierendengruppen zu decken, sagte der Agrarökonom. Die Landesrektorenkonferenz vertritt die Interessen von neun Mitgliedsuniversitäten im Land mit knapp 170.000 Studierenden.

Für eine baldige Rückkehr zum Konzept eines eingeschränkten Präsenzbetriebs sprach sich auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) aus. Sie wünsche sich sehr, besonders für die Erstsemester, dass das Infektionsgeschehen im Dezember wieder mehr Präsenzveranstaltungen und direkte Begegnungen zulasse. "Hochschule und Studium kommen auf Dauer nicht ohne aus."

Die Landtags-SPD sieht auch Probleme bei möglichem Verschieben von Prüfungen. Das Wissenschaftsministerium müsse den Hochschulen nun Strategien und Ressourcen an die Hand geben, wie ein Stau an Abschlussprüfungen in den kommenden Semestern verhindert werden könne, forderte die Hochschulexpertin Gabi Rolland.

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