Massive Bedenken gegen Polizeigesetz
Reform bleibt umstritten - Kritiker halten sie für verfassungswidrig

"Bodycams" sollen Polizisten vor Angriffen schützen. Foto: dpa
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Pläne für eine erneute Verschärfung des baden-württembergischen Polizeigesetzes bleiben heftig umstritten. Bei einer Anhörung von Sachverständigen im Landtag am Montag äußerten vor allem Vertreter von Strafverfolgungsbehörden Zustimmung zu einem entsprechenden Gesetzentwurf von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Dagegen übten Wissenschaftler und Rechtsanwälte teils erhebliche Kritik: Die Reform sei teilweise verfassungswidrig.
Strobl möchte das Polizeigesetz zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode ändern und dabei polizeiliche Befugnisse ausweiten. Nach monatelangen Verhandlungen mit seinem Koalitionspartner, den Grünen, hat der Minister auf einige Kernforderungen verzichtet. Geblieben sind, neben Anpassungen, die durch EU-Recht und Gerichtsurteile nötig geworden sind, insbesondere zwei neue Rechtsgrundlagen: eine zur Personenfeststellung und Durchsuchung von Menschen und Sachen bei Großveranstaltungen, die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen, sowie eine zur Ausweitung des Einsatzes am Körper getragener Kameras. Mit diesen Bodycams sollen Polizisten künftig auch in Wohnungen, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen filmen dürfen. Bisher ist das auf den öffentlichen Raum begrenzt. Es waren auch vor allem diese beiden Punkte, über die die zehn geladenen Sachverständigen bei der Anhörung ihr Urteil abgaben.
Durchweg zustimmend äußerten sich Vertreter der Polizei selbst. Die Polizeihauptkommissarin Tanja Kramper aus Mannheim begrüßte besonders die Ausweitung des Bodycam-Einsatzes, weil das angekündigte Einschalten der Kameras nach ihrer Erwartung zur Beruhigung erhitzter Gemüter beitragen könne, etwa in Fällen häuslicher Gewalt. Auch Polizisten handelten besonnener, wenn sie sich selbst klarmachten, dass ihr Vorgehen gerade aufgezeichnet wird. Zudem sah sie in dem Videomaterial, für dessen gerichtliche Verwertung ein Richtervorbehalt gelten soll, eine gute Quelle für Beweismaterial. Dies erhofft sich auch der Vertreter der Justiz, der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen, der die Reformpläne ebenfalls befürwortete. Auch die neuen Regelungen zur Kontrolle und Durchsuchung von Personen seien maßvoll und zumutbar für Bürger.
Dem widersprach der Rechtsanwalt Eren Basar. Mit Verweis auf mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts kritisierte er diese Vorschrift als grundgesetzwidrig. Sie ermögliche "Kontrollen von Jedermann ins Blaue hinein". Auch nach Ansicht von Peter Kothe, Präsident des Anwaltsverbands, verstoßen die Pläne gegen die Verfassung. "Sie schaffen Rechtsunsicherheit", warnte er die Abgeordneten. Auch Mark Zöller, Professor für Strafrecht der Uni Trier, sieht im Entwurf Verstöße gegen das Grundgesetz. Demgegenüber werde bei der Bodycam der Nutzen für die Polizei "völlig überschätzt".
Während Innenminister Strobl und der Grünen-Innenpolitiker Hans-Ulrich Sckerl ankündigten, die Einwände zu prüfen, kündigte die Opposition Widerstand an. Die SPD sprach von einem "verfassungswidrigen Gesetz". Die FDP gab an, nun selbst Änderungsanträge einzubringen.