Helmut Rannacher (Foto: dpa)
Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart
Stuttgart. "Unser Netz hat versagt, uns hat der Blick gefehlt für das aus damaliger Sicht Undenkbare": Helmut Rannacher, ehemaliger Präsident des Verfassungsschutzes, übt Selbstkritik. Unumwunden räumt er ein Versagen des Geheimdienstes ein vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages, der die Aktivitäten des rechtsterroristischen NSU, die Verstrickung einzelner südwestdeutscher Polizisten in den rassistischen Ku-Klux-Klan und den Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter aufzuklären versucht.
Schon 1999 habe es Hinweise auf den Ku-Klux-Klan gegeben. Aber es fehlte die Grundlage, die Kapuzenträger offiziell zu observieren und mit V-Leuten zu unterwandern: "Wir sind keine Stasi, wir brauchen Anhaltspunkte", sagt Rannacher. 2001 wurde bekannt, dass zwei Polizisten dem Verein angehören und drei weitere in dessen Nähe stünden. Aber erst ein Jahr danach konfrontierte die Polizei ihre Beamten mit dem Vorwurf. Warum so spät? "Wir haben unsere Informationen vorgelegt, alles andere musste die Polizei selber regeln", erklärt Rannacher.
Über den gleichen V-Mann des Bundes erfuhr der heute 75-Jährige mit einem exzellenten Erinnerungsvermögen auch von einem Mitarbeiter im eigenen Haus, der in einem Internetchat Dienstgeheimnisse an den damaligen Klan-Chef Achim S. verraten haben soll. Einen gerichtsfesten Beweis dafür gibt es ebenso wenig wie ein Motiv, und der Mann hat nie gestanden. Straf- und disziplinarrechtliche Maßnahmen mussten deshalb unterbleiben. Aus diesen Pannen und vordergründigen Ungereimtheiten einen institutionellen Rassismus in seiner Behörde zu konstruieren, weist Rannacher weit von sich. Viele Mitarbeiter habe er kennengelernt in seiner 26-Jährigen Tätigkeit, "aber bei keinem hatte ich je den Verdacht einer Nähe zu rechtsextremistischen Positionen."
Weniger ernsthaft gerierte sich der Politikwissenschaftler Hans-Joachim Funke. Er hatte sich der Familie des ehemaligen Neonazis Florian H. angedient. Der junge Mann verbrannte vergangenen September in Stuttgart in seinem Auto, die Familie aber bezweifelt die offizielle Selbstmordthese. In dem ausgebrannten Wrack will sie eine Pistole, ein Handy, einen Camcorder und (gestern zum ersten Mal erwähnt) eine Festplatte gefunden und Funke zur weiteren Auswertung übergeben haben. Wer die technisch vornahm, sagt Funke nicht, sondern beruft sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht wie bei Journalisten, schließlich publiziert er ja auch. Selbstgefällig ("Ich bin ein Grenzgänger") wirft er dem Ausschuss vor, infam, kampagnenhaft und mit "brutalen Fehlzuordnungen" zu arbeiten. "Das hatten wir noch nie", moniert der Vorsitzende Wolfgang Drexler.