Südwest

Kretschmann sieht nach Wegfall der Osterruhe "Riesen-Handlungsdruck" (Update)

Gründonnerstag und Karsamstag mit Hilfe des Infektionsschutzgesetzes als Ruhetage zu definieren war "nicht machbar".

24.03.2021 UPDATE: 25.03.2021 18:47 Uhr 6 Minuten, 12 Sekunden
Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Stuttgarter Landtag. Foto: dpa

Stuttgart. (dpa) Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht nach dem Rückzieher bei der Osterruhe einen "Riesen-Handlungsdruck", mit anderen Mitteln die stark steigenden Corona-Infektionszahlen unter Kontrolle zu bekommen. "Jetzt ist die Osterruhe weggefallen, aber es ist ja dafür noch gar kein Ersatz da", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag in Stuttgart. Er müsse sich nun wirklich "den Kopf zerbrechen", was bis Ostern geschehen solle und was danach. Es gehe darum zu entscheiden, ob man mit einer groß angelegten Teststrategie perspektivisch lockern könne oder "ob wir tatsächlich monatelang im Lockdown bleiben".

Mittlerweile liege die Sieben-Tage-Inzidenz landesweit bei über 100. "Dann ist das Land ja bald flächendeckend unter der Notbremse", sagte der Regierungschef. Derzeit liegt etwa die Hälfte aller Stadt- und Landkreise über der Zahl von 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche. Bleiben die Werte drei Tage lang über diesem Grenzwert, müssen die Kreise Öffnungen etwa von Geschäften wieder rückgängig machen.

Kretschmann sagte, in einem ersten Schritt müsse die Landesregierung jetzt dafür sorgen, "dass die Notbremse auch gemacht und durchgesetzt wird". Dann müsse man sich anschauen, wie das Modellprojekt in Tübingen laufe, bei dem mit massenhaften Tests mehr Öffnungsschritte ausprobiert werden. "Dann können wir nochmal gucken, was wir mit dem Erfahrungshintergrund machen können", sagte der Grüne.

In Tübingen können Menschen an neun Teststationen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt. Damit kann man in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen. Eine Reihe von Kommunen im Land würden gern einen ähnlichen Weg einschlagen wie die Universitätsstadt.

Der Regierungschef erklärte zudem, man müsse sich dringend überlegen, wie es nach Ostern mit den Schulen weitergehe. Am Mittwoch hatte er im Landtag angekündigt, das Ziel sei, dass alle Kinder und Jugendlichen nach den Osterferien zumindest im Wechsel wieder in ihre Schulen dürften. Am Donnerstag sagte er: "Da müssen wir nochmal gucken, was können wir inzidenzunabhängiger mit Teststrategien erreichen." Die Entscheidung sei nicht einfach, weil die Mutanten auch bei jungen Menschen viel ansteckender seien als das ursprüngliche Coronavirus. "Wir sind unter hohem Entscheidungsdruck."

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Update: Donnerstag, 25. März 2021, 18.46 Uhr


Entschuldigung für Osterruhe-Chaos auch von Kretschmann

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. In einer Sondersitzung hat der Landtag am Mittwoch die Regierung beauftragt, die neuesten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Anti-Corona-Maßnahmen umzusetzen. Die Nachricht, dass die geplante Osterruhe nicht stattfinden werde, hatte die Parlamentarier n der Debatte überrascht.

Wie bei den bisherigen Regierungsinformationen auch hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Beschlüsse zunächst noch einmal vorgestellt. Kaum hatte Kretschmann sie grob erläutert, bat er um Nachsicht: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe erneut zur Schalte gebeten.

"Ich freue mich, in einer im Grunde historischen Debatte im Landtag von Baden-Württemberg das Wort ergreifen zu dürfen", stichelte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. "Denn ich habe die einmalige Gelegenheit, zu einem Thema zu reden, von dem keiner im Haus heute weiß, worum es geht."

Nach seiner Rückkehr nannte Kretschmann zwei Hauptgründe für die Kehrtwende. Erstens sei geplant gewesen, die Osterruhe über das Bundes-Infektionsschutzgesetz zu regeln. "Das hat sich jetzt bei der rechtlichen Prüfung als nicht machbar herausgestellt." Zweitens wäre die Osterruhe für die Lieferketten vieler Betriebe in so kurzer Zeit nicht umsetzbar gewesen. "Wir müssen auch in schweren Krisen so arbeiten, dass die Dinge gut vorbereitet sind", räumte der Ministerpräsident ein. Das sei hier nicht ausreichend der Fall gewesen. "Deswegen möchte ich mich noch einmal bei Ihnen allen und bei der Bevölkerung dafür entschuldigen."

Vertreter von SPD und FDP zeigten sich im Anschluss gnädig. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte, niemand sei vor Fehlern gefeit. Es sei gut, sie möglichst schnell zu korrigieren. Rülke erklärte, man nehme die Information und auch die Entschuldigung "mit Respekt" zur Kenntnis. Neben der CDU befinden sich auch SPD und FDP in Sondierungsgesprächen mit den Grünen. Ihre Fraktionschefs hoffen beide auf Ministerposten im nächsten Kabinett Kretschmann und sind deshalb nicht in der Position, heftige Attacken zu reiten. Kritik in der Sache trugen sie dennoch vor. Stoch warnte, es sei wichtig, nicht ständig Versprechungen zu machen, die dann nicht eingelöst werden könnten.

Rülke sagte, die FDP glaube nicht, dass Notbremse, Ausgangssperren und unterschiedliche Regelungen nach Landkreisen nötig seien. Vielmehr könne man die Gesellschaft angesichts der in Aussicht stehenden Impfmengen nun kontrolliert öffnen.

Update: Mittwoch, 24. März 2021, 19.01 Uhr


Kretschmann bestätigt zurückgenommene "Osterruhe" 

Stuttgart. (dpa) Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Menschen in Baden-Württemberg nach dem Stopp für die Pläne eines verschärften Oster-Lockdowns um Verzeihung gebeten. "Ich möchte mich bei der Bevölkerung für dieses Hin und Her entschuldigen", sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch im Landtag in Stuttgart.

Zuvor hatten Kanzlerin Angela Merkel und die Länder-Regierungschefs in einer neuerlichen Schalte die in der Nacht zu Dienstag beschlossene Osterruhe wieder gekippt. Die Initiative dafür sei von Merkel ausgegangen, wofür er ihr Respekt zolle, sagte Kretschmann.

Es habe sich als nicht machbar herausgestellt, Gründonnerstag und Karsamstag mithilfe des Infektionsschutzgesetzes als Ruhetage zu definieren, erklärte der Regierungschef. Zudem sei klar geworden, dass es bei vielen Betrieben stark die Lieferkette beeinträchtigt hätte. Das Sprichwort "der Teufel steckt im Detail" habe sich bewahrheitet, sagte der Grüne. Der Plan für die Osterruhe sei in der Bund-Länder-Schalte erst mitten in der Nacht aufgekommen und sei nicht genügend vorbereitet gewesen.

Nun sollen die Länder mithilfe der Notbremse dafür sorgen, dass die Kontakte so weit wie möglich verringert werden. Vor der neuerlichen Online-Konferenz mit Merkel hatte Kretschmann im Landtag erklärt, dass Lockerungen wieder rückgängig gemacht werden müssten, sobald die Zahl der Neuinfektionen stabil über 100 pro 100.000 Einwohner in einer Woche sei. "Niemand zieht eine Notbremse leichtfertig. Aber wer sie nicht betätigt, obwohl die Gefahr absehbar ist, handelt fahrlässig", sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf die stark steigenden Fallzahlen.

Für Schüler hatte Kretschmann eine Überraschung parat: Nach den Osterferien sollen alle Kinder und Jugendlichen schrittweise und mit regelmäßigen Corona-Tests wieder in die Schulen zurückkehren können - trotz der Gefahr durch die Mutanten. "Wir wollen hier Perspektiven geben", sagte Kretschmann. Voraussetzung dafür sei, dass neben Lehrkräften auch Schülerinnen und Schüler zweimal die Woche getestet würden. Die Testmöglichkeiten seien nach den Osterferien weitgehend aufgebaut. "Jedenfalls haben wir das Ziel, dass wir perspektivisch allen Klassenstufen eine Chance auf Wechselunterricht einräumen – unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen."

Der grüne Regierungschef kündigte an, sich kommende Woche mit Vertretern von Eltern, Lehrern und Schulleitern zusammensetzen zu wollen. "Wenn wir möglichst viel Präsenz ermöglichen wollen, brauchen wir eine hohe Teilnahmequote an den Tests", betonte Kretschmann. Er schloss eine "Testpflicht" nicht aus. "Das loten wir rechtlich aus."

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz erklärte, es müsse einen Stufenplan geben, "um es trotzdem allen Kindern zu ermöglichen, nach Ostern zumindest für einige Tage in der Woche Unterricht in Präsenz zu erhalten". Man wolle sich dabei an der Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche in den Stadt- und Landkreisen orientieren. Davon hänge ab, ob Schüler im Hybridunterricht, im Wechselunterricht oder auf herkömmliche Weise unterrichtet werden. In Hotspots mit einer Inzidenz von über 200 sollen die Schulen allerdings geschlossen werden, sagte Schwarz. Kinder und Jugendliche sollten dann ausschließlich digitalen Unterricht bekommen.

Kretschmann erläuterte zudem, in Stadt- und Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 würden weitere Schritte umgesetzt. Nur die Geschäfte für den täglichen Bedarf blieben geöffnet, dazu zählen auch Bau- und Gartenmärkte. Zudem gelte eine nächtliche Ausgangsbeschränkung von 21 bis 5 Uhr. Neu ist: "Wer in einem privaten Pkw mitfährt, muss eine medizinische Maske tragen, sofern die Person nicht dem Hausstand des Fahrers angehört." Noch nicht klar sei, ob die Kontakte von Montag an weiter beschränkt werden sollen. Wie man mit "Click & Collect" und "Click & Meet" im Einzelhandel umgehen will, berate man derzeit noch mit den Nachbar-Bundesländern.

Es soll außerdem dabei bleiben, dass Stadt- und Landkreise je nach Corona-Infektionszahlen über Lockerungen und Schließungen etwa von Geschäften entscheiden. Kretschmann hatte erwogen, die Regeln wieder landesweit durchzusetzen, dies aber wieder verworfen. Wegen der steigenden Zahl von Infektionen im Südwesten sind derzeit kaum noch Öffnungen möglich. So liegt nach Zahlen des Landesgesundheitsamts kein Kreis mehr unter dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche. Derzeit liegen im Südwesten noch 27 Kreise zwischen 50 und 100, 17 sind über der Inzidenz von 100.

Der Regierungschef erneuerte seinen Appell an die Unternehmen im Land, den Beschäftigten, die in Präsenz arbeiteten, regelmäßig Tests zur Verfügung zu stellen - "mindestens einmal die Woche, besser zweimal". Andernfalls müsse man zu anderen Mitteln greifen. "Anfang April werden wir uns ein Bild machen, wie viele Unternehmen solche Tests anbieten.", sagte Kretschmann. "Sollte die Quote zu niedrig sein, wird eine bundesweite rechtliche Verpflichtung für die Unternehmen geprüft, Tests für ihre Belegschaften anzubieten."

Update: Mittwoch, 24. März 2021, 15.45 Uhr


Land will Kreise weiter über Schließungen entscheiden lassen

Stuttgart. (dpa) Das Land will es weiter Stadt- und Landkreisen überlassen, je nach Corona-Infektionszahlen über Lockerungen und Schließungen etwa von Geschäften zu entscheiden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch in Stuttgart aus Kreisen der grün-schwarzen Koalition. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte erwogen, die Regeln wieder landesweit durchzusetzen, dies aber wieder verworfen. Der Grünen-Politiker will am Mittwochvormittag im Landtag erläutern, wie das Land die schärfere Corona-Notbremse und den fünftägigen Oster-Lockdown umsetzen wird.

Wegen der steigenden Zahl von Infektionen im Südwesten sind derzeit kaum noch Öffnungen möglich. So liegt nach Zahlen des Landesgesundheitsamts kein Kreis mehr unter dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in einer Woche. Das heißt zum Beispiel, dass der Einzelhandel schließen muss. Bei einer Inzidenz bis 100 kann es noch Shopping mit Terminvereinbarung geben. Über 100 ist auch dies nicht mehr möglich. Derzeit liegen im Südwesten noch 27 Kreise zwischen 50 und 100, 17 sind über der Inzidenz von 100.

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