Deutschkurs auf innovative Art: Arthar Gyhim aus dem Irak (links) und Abdalmoneam Serjawe aus Syrien büffeln in einem virtuellen Klassenzimmer der Stadtbücherei Heilbronn, wo sie von der Praktikantin Annabel Welsch betreut werden. Foto: Frank
Von Hans Georg Frank
Heilbronn/Nordheim. Abdalmoneam Serjawe (23) aus Irbil ist einer der fleißigsten Schüler. Kaum hat die Lehrerin eine Frage zum Textverständnis gestellt, meldet sich der Streber aus Syrien. Er gehört zu den Probanden eines Modellversuchs an sieben kommunalen Büchereien des Landes, die für den Deutschkurs ein virtuelles Klassenzimmer eingerichtet haben. Dort setzen sich die Schüler vor ein Laptop, stülpen sich ein Headset über und sind via Internet verbunden mit der unsichtbaren Lehrkraft, die ebenso gut in Berlin wie in Mexiko sitzen kann.
Auf diese Weise können die Gruppen an unterschiedlichen Standorten verknüpft werden. Bei dem Onlinekurs entfällt das Störungspotenzial eines herkömmlichen Klassenzimmers, trotzdem besteht dauernder Kontakt untereinander und mit den Dozenten.
So kann man jederzeit Fragen stellen, seine Hausaufgaben für alle sichtbar machen und an der Aussprache feilen. "Es ist ein Arbeiten gegen den Frust im Flüchtlingsheim", beobachtete die Heilbronner Leiterin Monika Ziller, die auch die Geschäfte des baden-württembergischen Bibliotheksverbands führt.
Vier Wochen dauert der Probelauf, dem im Januar und Februar 2017 weitere folgen sollen. Schon jetzt sind die Effekte so positiv, dass an eine Dauereinrichtung gedacht wird. "Die Geschichte läuft gut, so etwas muss man in die Weiterbildungssysteme transportieren", sagte Roland Bauer vom Kultusministerium bei einer Zwischenbilanz.
Die Erkenntnisse des Experiments sollen auf die Arbeit mit anderen Zielgruppen übertragen werden, bei denen konventioneller Unterricht nicht möglich sei. Als Beispiele nannte Bauer Analphabeten nicht mehr beschulungsfähige Jugendliche.
Die Büchereien seien schon längst zu einem beliebten Treffpunkt auch für Flüchtlinge geworden, erklärt Monika Ziller. Seit Sommer 2015 sind allein in Heilbronn 1500 Leseausweise für Flüchtlinge ausgegeben worden. Obwohl es bereits vielerlei Angebote für das lebenslange Lernen gebe, sei der Sprachkurs "ein ganz fremder Bereich" für die Bibliotheken. Für das virtuelle Klassenzimmer musste ein Raum mit der entsprechenden Ausstattung bereitgestellt werden. Auch ist eine Betreuung notwendig.
Der Versuch läuft außer in Heilbronn in Nordheim, Tübingen, Reutlingen, Konstanz, Stuttgart und Achern. Monika Ziller geht davon aus, dass von den mehr als 800 Mitgliedern des Landesverbands etwa 150 für einen solchen Sprachkurs geeignet sind. "Man braucht stabile Internetleitungen", nannte sie eine der wichtigsten Voraussetzungen.
Abdalmoneam Serjawe büffelt voller Begeisterung die neue Sprache. Vorher lernte er Deutsch in einem Kurs der Volkshochschule mit 20 weiteren Flüchtlingen. "Aber die Methode der Stadtbücherei ist besser", stellte er fest. Er hat auch ein klares Ziel vor Augen: "Ich möchte Bauingenieur werden."