Südschiene läuft wieder an

Das haben Baden-Württemberg und Bayern zusammen vor

Gemeinsame Kabinettssitzung am Bodensee - Länder setzen auf Elektromobilität -

23.07.2019 UPDATE: 24.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Wollen gemeinsam die Republik voranbringen: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und sein Amtskollege Winfried Kretschmann. Die beiden sind jetzt schon beim "Du". F.: dpa

Von Tanja Wolter, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Auf dem Wasser muss der Klimaschutz noch etwas warten. Markus Söder (CSU) und sein Kabinett reisen am Dienstag mit der "MS Bodensee" vom bayerischen Lindau ins baden-württembergische Meersburg. Das Motorschiff hat annähernd 60 Jahre auf dem Buckel. Mit Gastgeber Winfried Kretschmann (Grüne) geht es dann aber umweltbewusst weiter: Das Neue Schloss Meersburg hoch über dem Seeufer wird zu Fuß erklommen, bei annähernd 30 Grad.

Auch der anschließende Fototermin auf der Schlosstreppe gerät schweißtreibend. Söder, leger in blauer Leinen-Hose mit Poloshirt, gibt sich dennoch locker und nutzt die Gelegenheit für ein Selfie mit dem baden-württembergischen Regierungschef. Dieser betont, die Südschiene sei "nie zum Stillstand gekommen".

Tatsächlich ist es die erste gemeinsame Kabinettssitzung von Baden-Württemberg und Bayern seit Kretschmanns Amtsantritt vor acht Jahren. Die harmonischen Bilder in malerischer Umgebung sollen Berlin signalisieren, dass an den beiden Lokomotiven Deutschlands niemand vorbeikommt. Es gehe darum, "die Republik voranzubringen", sagt Kretschmann. Schließlich stehe der Süden im internationalen Wettbewerb mit dem Silicon Valley und China, "nicht mit Mecklenburg-Vorpommern".

Berührungsängste gibt es schon länger nicht mehr. So hielten Kretschmann und der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer 2014 ein Geheimtreffen zur Energieversorgung ab. Die beiden kamen gut miteinander aus, dass Seehofer 2017 kundtat, mit Kretschmann könnte er sofort koalieren. Nach dem Stabwechsel in der bayerischen Staatskanzlei vor gut einem Jahr wurden weitere Bande geknüpft. Schon im Februar sagte Kretschmann: "Es geht gut mit dem Söder". Damals hatten sich beide gegen die Einmischung des Bundes in Bildungsfragen gewehrt.

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Nun also die offizielle Neuauflage der schon unter Franz Josef Strauß und Lothar Späth gepflegten "Südschiene". Gemeinsame Themen gibt es zuhauf, allen voran die Zukunft der Automobilindustrie. Mit Daimler, Porsche, BMW und Audi sind zusammengenommen gleich vier Platzhirsche der Branche vom Strukturwandel betroffen.

Die verpasste Chance auf die Batterieforschungsfabrik im Süden spielt bei der Sitzung eine entsprechend große Rolle. Kretschmann spricht auf der anschließenden Pressekonferenz von einer "Fehlentscheidung", Söder zeigt sich "nicht zufrieden".

Für die Fabrik hatten sich auch Ulm und Augsburg beworben, den Zuschlag erhielt aber Münster. Nun wollen Baden-Württemberg und Bayern ein Batterie-Cluster ins Leben rufen - und fordern dafür vom Bund jeweils 100 Millionen Euro. Forschungsinstitute in Ulm, Augsburg und Karlsruhe sollen dabei mit Zellherstellern in beiden Ländern kooperieren. Söder geht davon aus, dass die Länder dafür aus eigenen Mitteln jeweils zweistellige Millionenbeträge bereitstellen. Kretschmann gibt sich noch zugeknöpft und verweist auf die Haushaltsberatungen.

Beschlossen wird zudem eine gemeinsame Bundesratsinitiative zur Förderung der Elektromobilität. Auch im Bereich Klimaschutz wollen die zwei Länder den Schulterschluss üben. "Innovativ und ökologisch, naturbewusst und fortschrittsorientiert". Seit dem historisch schlechten CSU-Ergebnis bei der Landtagswahl 2018 in Bayern vollzieht Söder mit den Freien Wählern einen rasanten Wandel hin zu einer ökologisch orientierten Politik.

Erst blies er das umstrittene Skigebiet am Riedberger Horn ab. Dann versammelte er die Initiatoren des erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" an einem Tisch - mit dem Ergebnis eines "Versöhnungsgesetzes" für mehr Arten- und Naturschutz. Jüngst beschloss die Landesregierung, den Flächenverbrauch zu reduzieren.

Kretschmann ist von der Lernfähigkeit des Franken offensichtlich angetan. Er hat Söder bei dem Treffen am Bodensee das Du angeboten - als Älterer von beiden lag dieser Zug bei ihm. Söder wiederum gefällt an dem Grünen dessen "tiefes föderales Verständnis" besonders gut. "Das ist auch meines." Der Austausch von landestypischen Geschenken ist da nur noch Formsache: Bier und "Schmankerl" aus Bayern für Kretschmann sowie Wein und Obstschnaps vom Bodensee für Söder.

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