"Blankes Entsetzen" über Kretschmann
Eltern und Verbände warnen vor Sparmaßnahmen bei Lehrern

10 600 Stellen müssen laut Modellrechnungen bis 2030 neu besetzt werden. F.: dpa
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Noch ist das große Feilschen nicht eröffnet. Erst Ende 2019 soll der nächste Doppelhaushalt stehen, der letzte dieser Legislaturperiode. Das bedeutet, das harte Ringen in der grün-schwarzen Landesregierung um Geld und Stellen wird wohl erst nach der Sommerpause losgehen. Doch schon beginnen Vorgeplänkel.
Letzte Woche hat Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) den ersten Pflock eingerammt: Sie legte eine"Modellrechnung zum Lehrerbedarf 2020 bis 2030" vor. Wenn das Land nicht in den nächsten zwölf Jahren im Schnitt knapp 1000 neue Pädagogen pro Jahr einstellt, könne kein ordnungsgemäßer Unterricht sichergestellt werden. Ohne diese 10.600 Stellen setze sich der bereits bestehende Lehrermangel absehbar chronisch fest, heißt es in dem Papier.
Derart langfristige Berechnungen sind neu. Bisher wurden lediglich - mit mäßiger Trefferquote - künftige Schülerzahlen prognostiziert. In die neue Analyse fließen nun auch "bildungspolitische Projekte" ein, also Reformen, die Personalbedarf auslösen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dämpfte Eisenmanns Elan erstmal. "Die Berechnungen bedeuten jedenfalls nicht, dass wir jetzt auch 10.600 neue Stellen schaffen", stellte er klar, wies auf die ab 2020 verpflichtend einzuhaltende Schuldenbremse hin und darauf, dass solch eine zusätzliche Division Lehrer jährlich mindestens 700 Millionen Euro kosten würde.
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Mit diesem Argument nun löste er beim obersten Elternvertreter im Land "blankes Entsetzen und völliges Unverständnis" aus, wie Carsten Rees, Vorsitzender des Landeselternbeirats formuliert. Kretschmanns Äußerungen grenzten an Zynismus, befand er und sah "unsere Kinder und ihre Zukunft in der Geiselhaft einer strengen grünen Austeritätspolitik". Rees rief die grüne Landtagsfraktion "eindringlich auf, unseren Kindern in der Zukunft nicht aus Kostengründen sogar Teile des regulären Pflichtunterrichts zu verweigern".
Auch Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen, fürchtet, das Land knausere an der falschen Stelle. Schon jetzt hätten Lehrermangel und Unterrichtsausfall "die Schulen in Baden-Württemberg fest im Griff", wie er befand.
Doro Moritz, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, sprach von einer "einmaligen Chance". Sie betonte: "Die Kassen sind voll und die Daten für eine verlässliche Lehrerbedarfsplanung liegen vor. Wenn die Regierung Kretschmann jetzt handelt, mehr Studienplätze und neue Lehrerstellen schafft, kann sie Fehler früherer Landesregierungen vermeiden."