Wieder ist in Heilbronn ein Gartenschau-Traum geplatzt

Die "Grüne Ecke" ist nicht mehr "grün" -Weiterer Verlust für die Stadtausstellung - Revolutionärer Baustoff kommt nicht zum Einsatz

19.02.2017 UPDATE: 20.02.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden

Äußerlich wird sich am Baukörper der "Grünen Ecke" kaum etwas ändern, aber die neue innovative Qualität des Hauses ist nicht mehr umsetzbar. Visualisierung: Mattes Riglewski Architekten Heilbronn

Von Brigitte Fritz-Kador

Es hätte wahrlich ein "Wunderhaus" werden können. Eines, das es bisher so nicht und nirgendwo gab, ein Haus aus dem Baustoff "Infraleichtbeton", das nicht geheizt und nicht gekühlt werden muss, in dem man ein Raumgefühl hat wie in einer Kirche. Franz Josef Mattes, Architekt in Heilbronn, wollte es als "Grüne Ecke" im Neckarbogen bauen. Sie sollte eines der innovativen Bauprojekte sein, das in der "Stadtausstellung", Teil der Bundesgartenschau 2019, für Aufsehen sorgen sollte und exemplarisch für den Anspruch stehen sollte, dass man hier einen einen Musterstadtteil für neue und innovative Formen des Bauens und Wohnens schaffen wollte, dass damit der Stadtteil auch über die Buga hinaus Strahlkraft entwickeln würde. Jetzt hat Mattes entnervt aufgegeben und die "Stadtausstellung" verliert eine ihrer größten Bauattraktion.

Hintergrund

Infraleichtbeton wird an der TU Berlin umfangreich erforscht, er ist ein Hochleistungsbeton, der aufgrund seiner geringen Rohdichte als tragende Wärmedämmung dauerhafte, nachhaltige und ansprechende Sichtbetonbauten verspricht. Monolithische Tragwerke aus Sichtbeton können

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Infraleichtbeton wird an der TU Berlin umfangreich erforscht, er ist ein Hochleistungsbeton, der aufgrund seiner geringen Rohdichte als tragende Wärmedämmung dauerhafte, nachhaltige und ansprechende Sichtbetonbauten verspricht. Monolithische Tragwerke aus Sichtbeton können somit ökonomische, ökologische und soziokulturelle Anforderungen erfüllen. Inhalt der aktuellen Forschung ist u.a. konstruktive Lösungen für die praktische Umsetzung zu finden. (bfk)

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Die "Grüne Ecke" wird zwar gebaut, äußerlich nahezu unverändert, die Fassade begrünt wie vorgesehen, aber darunter eben aus herkömmlichem Beton und "leider auch mit entsprechenden Dämmstoffen", sagt der Architekt. Mit Infraleichtbeton hätte man darauf gänzlich verzichten, das Bauen mit Beton revolutionieren und auf eine ganz neue Weise Ökologie und Wirtschaftlichkeit zusammen bringen können.

Mattes hatte zusammen mit Mike Schlaich, Bauingenieur, Professor an der TU Berlin, Geschäftsführer des weltweit agierenden Ingenieurbüros "Schlaich, Bergemann und Partner (Stuttgart, Berlin, New York Sao Paolo, Shanghai) das Haus aus Infraleichtbeton geplant. Dieser könne, davon sind seine Befürworter überzeugt, das Bauen mit Beton revolutionieren. Schlaich hat in Berlin sein Familienwohnhaus daraus gebaut, im "Neckarbogen" ging es um den Nachweis, dass er auch "hochhaustauglich" ist.

Mattes ist tief enttäuscht. Seine Erlebnisse sind exemplarisch dafür, wie es einem gehen kann, wenn man dem von den Buga-Machern erhobenen Anspruch folgt und dann an der Realität scheitert. Dies nicht zwangsläufig, sondern deshalb, weil man in Deutschland keine Partner findet. Nachdem schon zuvor Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt waren - erst waren Investoren abgesprungen, worauf Mattes in einem Modell selbst mit einstieg, dann gab es Probleme mit Untergrund, die zuvor als nicht gegeben erklärt worden waren, worauf die Stadt einen Nachlass im Grundstückspreis gewährte, es gab hohe Hürden beim Baurecht - scheiterte das Vorhaben nun am Desinteresse der Betonindustrie, ohne die es nicht geht.

Auch Heidelberg-Cement zeigte sich uninteressiert. Dabei handele es sich doch bei Infraleichtbeton, davon sind Schlaich überzeugt, um einen Baustoff der Zukunft . Die am Ende noch fehlende Summe wollte und konnte Mattes nach all seinen Vorleistungen nicht mehr erbringen. Wenn er sich angesichts dieser Summe die Gehälter der Vorstände der betreffenden Unternehmen der Betonindustrie ansehe, werde er richtig wütend, sagt er. Dort habe man ihn immer wieder an die politischen Entscheidungsträger verwiesen.

Aber genau diese Art von "Lobby-Arbeit" lehnt Mattes ab. Den Grund für das Desinteresse ist ihm klar: Das Betongold. Herkömmlicher Beton verkaufe sich zur Zeit einfach zu gut. Es sei "ein Griff nach den Sternen" gewesen, sagt er. Jetzt ist man wieder auf der Erde gelandet.

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