Verkehrsreform in Baden-Württemberg

Mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr geplant

Das Land will die Finanzierung des Öffentlichen Nahverkehrs umbauen - Mehr Geld soll fließen, um Dörfer und Gemeinden besser anzubinden

26.06.2017 UPDATE: 27.06.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Foto: dpa/RNZ Repro

Von Roland Muschel

Von einem der "größten Reformprojekte" dieser Legislaturperiode und einem der wichtigsten Verkehrsprojekte spricht Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dagegen berichten die privaten Busunternehmen über "existenzielle Sorgen". Was hat es also auf sich mit der Finanzierungsreform für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die Hermann am Montag in Stuttgart vorgestellt hat? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist das Ziel der ÖPNV-Offensive?

Die Landesregierung will mehr Menschen dazu bewegen, Busse und Bahnen zu nutzen. Deshalb soll auch landesweit ein verlässlicher Busverkehr garantiert werden. Das heißt: Auch in der Fläche soll jede Strecke zwischen 5 und 24 Uhr mindestens einmal stündlich bedient werden, inklusive Ruf-Taxen zu den üblichen Buspreisen auf wenig frequentierten Strecken. Dieses Ziel, so Hermann, soll bis 2025 erreicht werden.

Was hat die ÖPNV-Finanzreform damit zu tun?

Bisher fließen jedes Jahr rund 200 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich direkt vom Land an Busunternehmen dafür, dass sie verbilligte Tickets für Schüler und Auszubildende anbieten. In der Fläche stellen diese Mittel die zentrale Grundfinanzierung des ÖPNV dar. Ein ÖPNV-System, das für alle verlässlich sein soll, so Hermann, könne aber nicht allein an Schülerzahlen hängen. Deshalb sollen die Gelder ab 2018 den Stadt- und Landkreisen zur Verfügung stehen, die damit das Angebot vor Ort ausbauen sollen. Das ist das Kernstück der Reform.

Was spricht gegen das alte System?

Nicht zuletzt das EU-Beihilferecht. Seit 2007 zahlt das Land Busfirmen einen pauschalen Ausgleich für verbilligte Schülerkarten. Der Kuchen war damit fest verteilt, für Neulinge gab es keine Chance, auch daran teilzuhaben. "Es wäre europarechtswidrig, wenn wir so weitermachen würden", sagt Hermann. Das habe ein von seinem Haus beauftragtes Gutachten ergeben. Zudem hat das System zu erheblichen Ungleichheiten geführt: So erhält derzeit ein Stadtkreis, den Hermann nicht benennen will, pro Einwohner einen Buszuschuss von 36,55 Euro, während ein zweiter mit einem besseren Busangebot, aber weniger Schülerverkehr pro Einwohner nur mit 17,05 Euro bezuschusst wird. "Gleiches", klagt der Minister, "wird ungleich behandelt."

Nach welchen Kriterien sollen die Mittel künftig vergeben werden?

Ab 2021, wenn der zweite Teil der Reform in Kraft tritt, sollen drei Kriterien zählen: die Fläche des Kreises, die angebotenen Buskilometer und die Fahrgastzahlen. Ersteres ist für ländlich geprägte Landkreise als Grundfinanzierung essenziell, die anderen beiden Kriterien sollen den Wettbewerb verstärken. Die genaue Gewichtung ist noch offen. Vorstellbar wäre ein Verteilschlüssel, bei dem alle drei Kriterien in etwa gleich stark gewichtet werden. Tendenziell profitieren die Kreise, die noch starken Ausbaubedarf haben, mehr als diejenigen, die bereits vorbildlich unterwegs sind. Im Übrigen verpflichtet das Land die Kreise, die Schüler- und Azubi-Tickets um mindestens ein Viertel zu rabattieren. Bislang sind es in einigen Verbünden nur 15 Prozent. Darüber hinaus können die Kreise wie bisher spezielle Kinder- und Sozialtickets oder Ähnliches schaffen.

Gibt es Verlierer der Reform?

Auf Seiten der Kreise nicht, verspricht Hermann. Möglich wird dies durch eine Aufstockung der Gesamtmittel, die von derzeit 200 Millionen Euro pro Jahr ab 2021 bis 2023 in drei Schritten auf dann 250 Millionen Euro pro Jahr steigen. Landkreistagspräsident Joachim Walter begrüßt diesen Kompromiss.

Warum haben die Busfirmen Sorgen?

Die Busunternehmen haben dem Konzept nach langen Jahren des Widerstands letztlich zugestimmt, berichten aber von existenziellen Sorgen. Der Grund: Das neue System bedingt, dass ab 2021 in vielen Kreisen die Buslinien ausgeschrieben werden müssen, bisherige Platzhirsche könnten dabei zu den Verlierern zählen. Tendenziell, heißt es im Hause Hermann, würden erfahrungsgemäß aber mittelständische Betriebe derartige Ausschreibungen gewinnen, aber die Margen für die Unternehmen im Wettbewerb natürlich sinken - zugunsten der Kreise und Fahrgäste. Bei den Ausschreibungen will das Land die Kreise beraten, damit diese mittelstands-, arbeitnehmer- und umweltfreundlich ausfallen, etwa indem die Zahlung von Tariflöhnen oder bestimmte technische Standards zur Vertragsbedingung gemacht werden.

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