Musikschulen: "Schmerzfreie Einsparungen gibt es nicht"
Am Sparen kommen die Musikhochschulen nicht vorbei - Dennoch brachte eine Anhörung am Mittwoch Bewegung in die Debatte.
Stuttgart. Dass an die 200 Gäste kamen, zählten die Fraktionschefs Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD) zu Beginn der Anhörung mit Hochschulrektoren, Vertretern von Kommunen, Studenten und Musikverbänden als Erfolg. Nach der "großen Aufregung" um das im Sommer von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) präsentierte Sparkonzept bei den Musikhochschulen in Baden-Württemberg, werteten sie die von ihnen initiierte Veranstaltung in Stuttgart als "gelungenen Auftakt auf dem Weg zu einem tragfähigen Kompromiss." Sitzmann und Schmiedel kündigten eine weitere Anhörung für Anfang 2014 an.
Nach monatelangem Streit deutete sich gestern ein Lösungsweg an. Die Einsparungen bei den Musikhochschulen können nach Auffassung der Rektoren durch eine stärkere Konzentration auf bestimmte Profile an den fünf Standorten erbracht werden. Am meisten zur Beruhigung der Gemüter dürfte beigetragen haben, dass laut Bauer "mindestens bis Sommer Zeit zum Nachdenken" sein soll und mit Einsparungen weder im nächsten noch im übernächsten Doppelhaushalt gerechnet werden müsse. An der mittelfristigen Einsparvorgabe von vier bis fünf Millionen Euro jährlich (von 44 Millionen) freilich komme man nicht vorbei, wobei Bauer darauf hinwies: "Schmerzfreie Einsparungen, die gibt es nicht."
Keiner der Rektoren und Bürgermeister aller fünf Standorte versäumte es, auf die regionale Bedeutung ihrer Musikhochschule hinzuweisen. Ganz besonders lag das den Trossingern am Herzen, wo "unabsehbare Kollateralschäden" befürchtet werden, würden Schulmusiker dort nicht mehr studieren. Rektorin Elisabeth Gutjahr erneuerte wie ihr ebenfalls am stärksten von Bauers gegenteiligen Überlegungen betroffener Mannheimer Kollege Rudolf Meister die Forderung, jede Musikhochschule müsse Ausbildungskapazitäten in den Kernbereichen Orchester, Chor, Schulmusik behalten. Unter Beifall mahnte Meister zudem Nachfinanzierungen und eine Honorarerhöhung für Lehrbeauftragte an.
Karlsruhes OB Frank Mentrup (SPD) empfahl, "an den Grundzügen des Bauer-Konzepts festzuhalten. Auch die Vertreterinnen Stuttgarts sprachen von einem "diskussionswürdigen Papier".
Bewegung in die festgefahrene Debatte brachte schließlich der Leiter der Musikhochschule Karlsruhe und Chef der Landesrektorenkonferenz der Musikhochschulen, Hartmut Höll: Nicht jeder Standort brauche eine Liedklasse, Opernschule oder Orgelausbildung. "Wir müssen uns verabschieden vom Begriff der Vollhochschule, die alles anbietet, und zu einem Vollangebot für ganz Baden-Württemberg kommen." Dabei müssten Qualifizierungszentren an den einzelnen Standorten eine Rolle spielen. Dieser Gedanke könne eine Brücke sein, die die zerstrittenen Rektoren wieder zusammenführe. Mit seinen Kollegen aus Trossingen und Mannheim sowie den Rektoren aus Stuttgart und Freiburg will Höll in Kürze ein Treffen organisieren.
Höll stimmte aber nicht in den allgemeinen Ruf nach mehr Schulmusikern ein: Solange das Kultusministerium nicht belastbare Zahlen zum Bedarf vorlege, "weigere ich mich über Schulmusik zu sprechen." Verlässliche Zahlen seien Voraussetzung für eine sachliche Diskussion. Angeblich seien in diesem Bereich sogar zwei Millionen Euro einzusparen.
Der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, Claus Meissner, wandte sich gegen die Forderung nach Studienplatzabbau wegen angeblich schlechter Berufsaussichten: Zum Grundrecht der Berufsfreiheit gehöre auch das Risiko. Die prekären Arbeitsverhältnisse, in denen viele Musiker landen, zählen zu den Argumenten, die aus Sicht von Ministerin Bauer und des Landesrechnungshofes eine Straffung rechtfertigen.
Bauer kündigte weitere Gespräche in Foren mit Experten und Studenten an.