Landes-Realschulen werden aufgerüstet
Kultusminister Stoch bietet 500 Lehr-Deputate zusätzlich an. Ab Klasse sieben soll es getrennte Kurse für die Mittlere Reife und den Hauptschulabschluss geben.

Stuttgart. Die SPD will eine Baustelle ihrer Schulpolitik abräumen: Die Realschulen sollen personell den Gymnasien gleichgestellt werden, müssen dafür aber auch die Abschlussprüfung der Hauptschulen anbieten.
Das Lieblingskind der grün-roten Koalition, die Gemeinschaftsschule, krankt bislang daran, dass sich kein Gymnasium und nur ganz wenige Realschulen beteiligen. Dabei steigt der Druck auf die bislang höchst erfolgreiche Realschule: Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder dort unterbringen, auch wenn die Leistung eigentlich nicht reicht und die (unverbindlich gewordene) Empfehlung nach der Grundschule lediglich die Haupt- oder Werkrealschule vorschlägt.
In der vergangenen Woche hatte die Konferenz der Realschulrektoren deshalb noch einmal Druck gemacht und mehr Personal für die zunehmend heterogenen Klassen gefordert. Den meisten Realschulpädagogen ist dabei klar: Angesichts der Veränderungen in Demographie wie Bildungslandschaft muss sich auch dieser Schultyp anpassen.
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) löst deshalb sein bereits im vergangenen Jahr gegebenes Versprechen einer umfassenden Realschulreform ein.
Kern der derzeit debattierten Pläne ist die Ausstattung der Realschulen mit rund 500 zusätzlichen Deputaten. Dadurch kann die Zahl der Poolstunden von derzeit etwas über zwei auf elf gesteigert werden - soviel haben auch die Gymnasien. Diese Poolstunden werden dann für die Binnendifferenzierung genutzt, denn im Gegenzug müssen sich die Realschulen verpflichten, fortan auch die Hauptschul-Abschlussprüfung anzubieten, um jedem Absolventen einen formalen Abschluss zu ermöglichen.
Dies wiederum setzt eine gezielte Förderung in den Kernfächern voraus. In den Klassen fünf und sechs wird zunächst eine Orientierungsstufe eingeführt, ab Klasse sieben folgt dann ein Kurssystem, das leichtere Angebote für Hauptschüler und anspruchsvollere Kurse für Realschüler offeriert. Warum keine getrennten Klassen in einem eigenen Hauptschulzug? Weil die Schüler zumeist in unterschiedlichen Fächern und zu unterschiedlichen Zeiten ihre Stärken und Schwächen haben, sagt Stoch.
Wann greift diese Reform? Konzeptionelle Vorbereitungen sind schon im kommenden Schuljahr nach der Sommerpause möglich, beispielsweise in den Orientierungsstufen. Voll wirksam wird sie aus zwei Gründen aber erst im Schuljahr 2015/16: Erstens ist die Lehrereinstellung derzeit nach dem alten Muster im vollen Gang, zweitens bietet der laufende Haushalt keinen Spielraum mehr.
Stoch will deshalb Mehrbedarf (neben jenem für Inklusion und Ganztagesschule) auch für sein Realschulpaket im Doppelhaushalt 2015/16 anmelden - und vielleicht gibt es noch ein Extra. Weil immer mehr Hauptschulen schließen und deren Lehrer neue Jobs suchen, wären ein mögliches Betätigungsfeld ja auch die Kurse für die schwächeren Realschüler.
Gerade Hauptschullehrer brächten viel Erfahrung bei der individuellen Förderung und bei der Diagnosefähigkeit mit, lobt Stoch. Realschullehrer werden jedoch besser bezahlt. Die Lehrergewerkschaft GEW verlangt deshalb schon lange, die Gehaltsstufen anzupassen. Das kostet pro Volldeputat rund 7000 bis 8000 Euro pro Jahr zusätzlich. "Da kommt leicht ein stolzer Betrag zusammen", sagt Stoch, dennoch könne er sich vorstellen, der Gewerkschaft entgegenzukommen.
Die Bildungspolitiker in den Arbeitskreisen der Koalitionspartner haben vor kurzem eine entsprechende Anhörung abgehalten und stehen, so Stoch, hinter seinen zusätzlichen Stellenplänen. Die Fraktionen sind ebenfalls informiert, mit Regierungschef Winfried Kretschmann will der Kultusminister nach seinem Urlaub in der kommenden Woche sprechen.