Kontroverse Debatte in der Atomkraft-Kommission über Kühlturm in Neckarwestheim
Verloren bei der Katastrophe in Fukushima 80.000 Menschen ihre Heimat, so müssten bei einem GAU in Neckarwestheim 675.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Großes Interesse bei der Informationskommission zum Kernkraftwerk Neckarwestheim: Erneut wurden zum AKW Sicherheitsbedenken vorgetragen. Foto: Frank
Von Hans Georg Frank
"Ich bin ein Urgestein des AKW-Widerstands", stellt sich Hans Heydemann (75) vor. Der diplomierte Ingenieur für Versorgungs- und Energietechnik aus Stuttgart kämpft seit 1976 gegen den Atomstrom. Dazu bietet ihm auch die Informationskommission zum Kernkraftwerk Neckarwestheim die richtige Plattform.
Wenn auf der Tagesordnung dieses vom Heilbronner Landrat Detlef Piepenburg geleiteten Gremiums als Punkt 4 der Tagesordnung "Plötzlicher Ausfall des Kühlturms - Eine Modellrechnung" mit Heydemann als Referenten steht, dann darf jeder erwarten, dass sich der Aktivist akkurat an das Thema noch an eine zügige, allgemein verständliche Darstellung hält. Dabei ist seine Botschaft eigentlich klar: "Jeder Tag Laufzeit eines AKW ist ein Tag zu viel!" Dafür bekam der Experte am Dienstagabend reichlich Beifall aus den atomkritischen Reihen der mehr als 100 Zuhörer.
Heydemann sprach nicht allein über den Kühlturm, dessen Standfestigkeit weiter umstritten ist, nachdem Absenkungen von etlichen Zentimetern mit mehreren tausend Kubikmeter Beton korrigiert werden mussten. Für den Ingenieur ist wichtig, Neckarwestheim im Zusammenhang mit Atomunfällen in aller Welt seit 1957 zu betrachten.
Die frühere Behauptung von Betreibern und Befürwortern, dass sich ein solcher GAU nur alle 100 000 Jahre ereignen könne, sei 1979 in Harrisburg (USA), 1986 in Tschernobyl (Ukraine) und 2011 in Fukushima (Japan) widerlegt worden: "Wie schnell doch die Zeit vergeht."
Verloren bei der Katastrophe in Fukushima 80 000 Menschen ihre Heimat samt Hab und Gut, so müssten bei einem GAU in Neckarwestheim 675 000 Menschen aus der 20-Kilometer-Umgebung in Sicherheit gebracht werden. Dafür seien 17 000 Busse notwendig. "Es war heller Wahnsinn, in den dicht besiedelten Raum ein Atomkraftwerk zu bauen", meint Heydemann.
Christoph Heil von der Energie Baden-Württemberg und Thomas Wildermann vom Umweltministerium widersprachen Heydemanns Darstellung. Ganz gleich, ob technisches und menschliches Versagen oder Einwirkungen von außen wie Erdbeben, Flugzeugabsturz oder Explosion - jeder Ausfall der Kühlung sei "zuverlässig zu beherrschen", betonte Wildermann. "Die Sicherheit der Anlage ist immer gewährleistet", bestätigte der EnBW-Manager.
Heil informierte auch über die Planung der Verlagerung von Obrigheimer Brennelementen nach Neckarwestheim: "Wir sind intensiv in der Prüfung." Die endgültige Entscheidung über den Transportweg - auf dem Neckar oder auf der Straße - werde wohl "bis Ende dieses Jahres" getroffen. Das Ziel dieser 15 Behälter aus Obrigheim ist das Zwischenlager in Neckarwestheim. Dort wurde jetzt gerade mit der Nutzung der zweiten Tunnelröhre begonnen. Im ersten Teil der als Zwischenlösung gedachten Anlage sind 44 Castoren aufgestellt. Diese dürfen vorläufig nicht mehr bewegt werden, weil Zweifel an der Zuverlässigkeit der Tragzapfen für die Kranhaken aufgetaucht sind.
Vor dem Rückbau des ersten Blocks des Neckarwestheimer Doppelmeilers muss die EnBW nicht nur ein Reststoffbearbeitungszentrum und ein Standortabfalllager bauen. Es existieren auch schon Pläne für ein neues Feuerwehrmagazin, gab Heil bekannt. Eine erste Skizze sieht ein Zweckgebäude mit sechs Toren vor.
Die nächste Sitzung der Infokommission ist für 26. Oktober vorgesehen. Die Zuhörer werden weiterhin nicht zu Wort kommen, nachdem eine Mehrheit (8:5) einen Antrag von Wolfram Scheffbuch vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar abgelehnt hat. Auch das von ihm beantragte Honorar für externe Experten wird nicht bezahlt. Mitte des Jahres wird in Neckarwestheim ein Anhörungstermin stattfinden für die Erörterung von rund 2500 Einwendungen gegen den Abbruch von GKN I. Entscheidungen würden dabei nicht getroffen, sagte Wildermann. Die Bedenken sollten relativ rasch berücksichtigt werden können bei dem Verfahren, das "erst am Anfang" stehe.



