Jeder dritte Zug im Land ist verspätet - viele fallen ganz aus

Bahn muss Millionen-Strafe zahlen - Verkehrsminister: "Image geschädigt"

19.12.2016 UPDATE: 20.12.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Katastrophales Niveau: Auf einigen Strecken waren nur 62 Prozent aller Züge pünktlich. Foto: Matthias Hiekel

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Zugausfälle, Verspätungen, verdreckte Waggons: Die massiven Probleme der DB Regio Baden-Württemberg beim Betrieb mehrerer Strecken seit dem Fahrplanwechsel zum 1. Oktober seien "absolut inakzeptabel gewesen", schimpfte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag bei einer Pressekonferenz in Stuttgart. Die Schuldfrage mochte er bei der Gelegenheit klar geregelt wissen: "Das Land Baden-Württemberg fährt die Züge nicht, das tut die DB Regio." Der Vorsitzende der Regionalleitung des gescholtenen Betreibers, David Weltzien, ergriff direkt nach Hermann das Wort. "Wir haben nicht das gebracht, was wir uns selbst vorgestellt haben", bekannte Weltzien seine DB Regio schuldig im Sinne der Minister-Anklage.

Die Versäumnisse kosten das Unternehmen nach ersten Schätzungen fünf bis sieben Millionen Euro. Wegen ausgefallener Züge werde das Land rund zwei Millionen Euro einbehalten, kündigte Hermann an. Dazu kommen Strafzahlungen für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von drei bis fünf Millionen Euro. Stammkunden der Frankenbahn und der Remsbahn zahlt die DB Regio zudem eine Entschädigung.

Die Zuverlässigkeit der Bahn im Regionalverkehr ist nicht nur ein rotes Tuch für die betroffenen Fahrgäste, sondern auch für Hermann selbst. Schließlich will der Grüne aus grundsätzlichen Erwägungen wie den Feinstaubproblemen in Stuttgart möglichst viele Autofahrer zum Umstieg bewegen. "Das Allerschlimmste ist, dass das Image des Nahverkehrs insgesamt beschädigt worden ist", klagte Hermann.

Immerhin habe sich die Lage in den vergangenen vier Wochen entspannt. "Es ist besser geworden, aber es muss auch noch deutlich besser werden", sagte Hermann. Er wird die DB Regio deshalb weiter wöchentlich zum Rapport ins Ministerium zitieren. Die Pünktlichkeitswerte würden jetzt nahe 92 Prozent liegen, sagte Weltzien. Und nur noch 1,3 Prozent der Züge ausfallen - teilweise hatte der Wert bei 2,4 Prozent gelegen. Das zeige, dass die ergriffenen Maßnahmen Wirkung zeigten. Ziel sei es aber, dauerhaft wieder auf eine Ausfallquote von unter einem Prozent zu kommen.

"Es gibt unendlich viele verärgerte Kunden", berichtete Hermann. Besonders betroffen von den Problemen waren - und sind es zum Teil immer noch - die Strecken Stuttgart-Heilbronn-Würzburg ("Frankenbahn"), Stuttgart-Aalen ("Remsbahn") sowie die Strecke Stuttgart-Ulm-Lindau. In der letzten Oktoberwoche lag die Zugpünktlichkeit nach einer Auflistung der DB Regio landesweit im Schnitt nur bei 87,7 Prozent; auf der "Frankenbahn" sank der Wert sogar auf ein katastrophales Niveau von 62 Prozent. Als pünktlich gelten dabei alle Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätungen haben. In der Zeit fielen pro Woche 160 bis 240 Züge ganz aus.

Doch selbst Anfang Dezember, in der 49. Kalenderwoche, hatte die DB Regio auf einigen Strecken noch erheblich mit der Pünktlichkeit zu kämpfen. Da lag der Wert für die Frankenbahn bei 70,3 Prozent; für drei weitere Linien ebenfalls unter 80 Prozent. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) beklagte am Montag denn auch, er könne noch keine signifikante Besserung bei der Pünktlichkeit erkennen.

Die Krise begann mit dem Ablauf des großen Verkehrsvertrags des Landes mit der Bahn Ende September; seitdem gibt es Übergangsverträge mit der DB Regio über 18 verschiedene Gebiete, die 2019 - wie die Stuttgarter Netze - teils an private Konkurrenten übergehen. Die Umstellung sowie zwei Fahrplanwechsel binnen weniger Monate hätten "erhebliche Unruhe ins System" gebracht, klagte Weltzien. An einem Einsatzort sei es zu einem "isolierten Krankheitsproblem" gekommen. Zudem habe man erst spät die neuen Fahrzeuge erhalten, die die Flotte verjüngen sollen.

Der Verlust der Stuttgarter Netze sei für viele seiner Kollegen zwar ein Schock; der Verdacht, dass sich die DB Regio deshalb weniger anstrengen würde, entbehre aber jeglicher Grundlage. Schließlich sei man weiter auf vielen Strecken Partner des Landes.

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