In Heilbronn ist ein Streit um den Neckarbogen entbrannt
Wie viel Architektur und wie viel Auto darf es im neuen Heilbronner Stadtteil sein? Die Bauträger sind skeptisch, die Planern euphorisch und die Räte uneinig

Heilbronn. Bevor der erste Bebauungsplan für den Neckarbogen verabschiedet ist, bevor das dafür offenbar bereits fertige "Gestaltungshandbuch" zur Verabschiedung dem Gemeinderat vorliegt, herrscht in Heilbronn eine Verunsicherung über die künftige Bebauung des Neckarbogen, die in einen ideologisch geführten Grundsatzstreit mündet, zugespitzt auf die Frage "Wie viel Auto darf es sein?"
"Gemischte Nutzung, dichte Bebauung und kurze Wege greifen zu kurz." Zu den rein baulichen Themen müsse auch Soziales, Wirtschaft, Verkehr, Grün, Freiraum, Kultur und vor allem ein gemeinschaftliches Kulturverständnis kommen, hatte sich Heilbronns Alt-OB Helmut Himmelsbach schon zu seiner Amtszeit für den Deutschen Städtetag in der FAZ zum Thema Zukunft der Städte geäußert. So weit ist man in Heilbronn noch nicht. Einig war man sich bisher in dem allgemein formulierten Ziel "städtebaulich die Zukunft zu gestalten".
Dafür hat der Gemeinderat auch den "Modal-Split von 70 zu 30" (Verhältnis Öffentlicher Nahverkehr zu Individualverkehr) beschlossen, denn wegen der "insularen" Lage des Neckarbogens ist eine Anbindung ans Stadtbahnnetz nicht möglich. Busse, Radler, Fußgänger - alle willkommen; Autos aber nur im Ziel- und Quellverkehr. In dem Ende 2013 vorgelegten Ergebnisbericht zum Leitbildprozess für den Neckarbogen stand: "Private Stellplätze werden ausschließlich in Tiefgaragen entlang der Weststraße hergestellt, damit haben 50 Prozent der Geschossflächen unmittelbaren Zugang zu privaten Stellplätzen."
Einige große Bauträger, darunter auch sehr potente auswärtige, warten noch ab. Einer von ihnen sagt dann doch so viel, dass er, wenn es bei dem restriktiven Tiefgaragenkonzept bleibt, nicht investieren werde. Ein anderer mahnt mangelnde Kommunikation an. Bei der Erstellung des verbindlichen Gestaltungshandbuches für die Bauplanung wären sie gerne zur Mitwirkung gefragt worden.
Buga-Geschäftsführer Hanspeter Faas nennt diese Kritik "etwas scheinheilig". Der Leitbildprozess für den Neckarbogen sei von Anfang an öffentlich gewesen. Man habe durchaus den Dialog gesucht. "Wir wollen Zukunftsthemen verwirklichen, da werden die Tiefgaragen nicht der einzige Punkt für unterschiedliche Interessen sein", meint er.
SPD, CDU und FDP haben indessen schon den gemeinsamen Antrag gestellt, auf dem ersten Baufeld, das bis 2019 "mustergültig" erstellt werden soll, drei verbundene Tiefgaragen mit nur einer Zu- und Abfahrt zu bauen. Der Antrag wäre mehrheitsfähig und findet auch bei möglichen Investoren Zuspruch.
Susanne Bay von den Grünen hält dagegen und sieht "die hehren Pläne für den Neckarbogen" in Gefahr: "Weshalb haben wir einen Verkehrsanteil des Umweltverbundes von 70 Prozent für das Quartier beschlossen? Peu à peu werden Nachhaltigkeitsstandards infrage gestellt, die unser Buga-Quartier zu etwas Besonderem machen sollten. Tiefgaragen unter jedem Baufeld, womöglich noch oberirdisch erschlossen, sind eine Rolle rückwärts in die autogerechte Stadt der 70er Jahre." Nicht nur die Grünen teilen die Ansicht von Faas, dass derzeit bei der Planung "noch nicht weit genug gesprungen werde."
Die Heilbronner Investoren versichern, bei aller notwendigen Wirtschaftlichkeit, keine "Investorenarchitektur" zu planen. Sie wollen durchaus neue Formen und Lösungen mittragen, die vorgegebenen Standards sollten dann aber auch kontrolliert werden. Ihre weitere Sorge gilt dem knappen Zeitfenster für den ersten Bauabschnitt. Das Thema "Tiefgaragen" wird wohl noch vor Weihnachten auf die Tagesordnung des Gemeinderates kommen.
Doch auch auf weiteren Feldern, wo Praktiker auf Theoretiker treffen, ist vieles noch offen. Während Faas nicht nur von der neuen Architektur, sondern auch gleich von den neuen Menschen und neuen, gemeinsam genutzten Freiräumen schwärmt, wo in individueller Art neues Zusammenleben stattfinden soll, kann man es sich in Investorenkreisen nicht vorstellen, dass mit Carsharing das Mobilitätsproblem der alleinerziehenden Mutter gelöst wird. Heilbronn sei nun mal keine Metropolregion mit einem fein verästelten ÖPNV-System. Auch wenn ein innovatives Projekt das oberste Ziel sei, dürfe man nicht an Menschen vorbei planen.



