Heilbronner Notfallversorgung in der Kritik

Ärzte beklagen, dass Akutpatienten abgewiesen werden - Regierungspräsidium als Aufsicht eingeschaltet

31.01.2016 UPDATE: 01.02.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Deutliche Misstöne zwischen Ärzteschaft und der SLK-Klinik am Gesundbrunnen gibt es derzeit wegen der Notaufnahme. Foto: Endres

Von Brigitte Fritz-Kador

Der Sprecher der Kreisärzteschaft Heilbronn, Dr. Martin Uellner, hat einen Stein losgetreten. Es geht um Vorwürfe gegen die Notaufnahme in der SLK-Klinik am Gesundbrunnen Heilbronn: Dringend behandlungsbedürftige Patienten sollen angeblich abgewiesen werden.

Inzwischen hat sich das Regierungspräsidium Stuttgart eingeschaltet. Die Klinik hat von sich aus mit einer Stellungnahme reagiert. Darin heißt es, dass die SLK-Kliniken "umfassend ihren Verpflichtungen zur Notfallversorgung der Patienten nachkomme. Und: "Es ist sichergestellt, dass dringende Notfälle umgehend untersucht und behandelt werden. Eine Abmeldung im Sinne von einer "Nicht-Aufnahme" von Patienten gibt es nicht. Die Notaufnahmen sind aufnahmeverpflichtet. Kein Patient wird weggeschickt. Ein Schwerstverletzter muss und kann damit immer versorgt

Hintergrund

Das Klinikum am Gesundbrunnen ist eines der größten im Land; es nannte zu den Notfällen folgende Zahlen: "2013 waren es insgesamt 41 323 Notfälle, im Jahr 2014 dann 43 718 Notfälle und 2015 insgesamt 44 939. Das ist eine Steigerung von knapp neun Prozent innerhalb von zwei

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Das Klinikum am Gesundbrunnen ist eines der größten im Land; es nannte zu den Notfällen folgende Zahlen: "2013 waren es insgesamt 41 323 Notfälle, im Jahr 2014 dann 43 718 Notfälle und 2015 insgesamt 44 939. Das ist eine Steigerung von knapp neun Prozent innerhalb von zwei Jahren. In der genannten Zeit haben die SLK-Kliniken das Personal in der Notaufnahme um über zehn Prozent aufgestockt. Sukzessive sollen bis zur Inbetriebnahme des Neubaus ( Anm.: in ca. einem Jahr) weitere zehn Prozent hinzukommen."

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werden."

Die ständig überlaufene Notaufnahme am Heilbronner SLK-Klinikum war auch in der Vergangenheit oft der Patientenkritik ausgesetzt. Mit Umbaumaßnahmen wurde inzwischen die räumliche Wartesituation verbessert. Hier, wie auch an anderen Kliniken ist man "Opfer" der Entwicklung, in der die Überlastung der Fachärzte ebenso eine Rolle spielt wie die Einstellung vieler Patienten, die selbst bei geringfügigen Gesundheitsproblemen die Notaufnahme der Krankenhäuser aufsuchen, weil sie wissen, dass sie nicht abgewiesen werden dürfen.

Ein Heilbronner Arzt schildert das aus seiner Erfahrung so: "Da gibt es ein Anspruchsdenken bei manchen Patienten von "schwäbischer Mentalität". Die halten es für besonders schlau, genau wissend, welche Beschwerden sie anführen müssen, sich in der Notaufnahme zu melden, um dort mal gründlich durchgecheckt zu werden."

Das ist aber nur ein Aspekt aus den Alltagserfahrungen seiner Praxis. Es gibt auch eine Reihe anderer Fälle, die er aus dem Stand heraus aus den letzten beiden Jahren schildert. Und die sind erschreckend. So sei ein 71-jähriger Mann, kreislaufstabil und in gutem Allgemeinzustand in die Praxis gekommen, wo man ihn mit dem Verdacht auf Lungenembolie sofort in die Klinik am Gesundbrunnen einweisen wollte.Wie üblich, nach telefonischer Anmeldung durch die Praxis und ohne Inanspruchnahme der Rettungsleitstelle. Am Gesundbrunnen sei die Aufnahme verweigert worden, ausdrücklich unter Verwendung des Terminus "wir sind abgemeldet", worauf der Patient in die Klinik am Plattenwald in Bad Friedrichshall weitergefahren wurde. Bei der Verlagerung von der Transportliege auf die Liege der Intensivstation sei der Mann verstorben.

Möglicherweise, so der Arzt, hätte der Patient die Embolie auch im Gesundbrunnen-Klinkum nicht überlebt. Der Fall sei für ihn und die Witwe aber immer noch sehr belastend. Nicht nur aufgrund dieses Vorfalls wandten sich die Ärzte der Praxis schon vor genau einem Jahr an Kreisärzteschaftsprecher Uellner, an die Rettungsleitstelle und die Klinik selbst mit drei Brandbriefen.

In dem Schreiben an die SLK-Klinik heißt es u.a: "Die in letzter Zeit praktizierte Abmeldung der medizinischen Notaufnahme in Heilbronn und teilweise auch am Plattenwald ist so nicht akzeptabel und rechtswidrig. Es ist uns als niedergelassene Ärzte nicht mehr möglich, akut lebensbedrohte Patienten in die dafür zuständige Klinik einzuweisen." Seit mehr als 20 Jahren würde man solche Patienten angemeldeten, aber "da wir mehrfach von den zuständigen Mitarbeitern der MNA (Medizinische Notaufnahme) schroff und unhöflich abgewiesen wurden" werde man Akutpatienten nicht mehr anmelden, denn: "wir sind nicht mehr bereit und gewillt, dieses für uns und unsere Patienten unwürdige Verhalten der SLK-Kliniken zu tolerieren. Wir sehen es als Organisationsverschulden an, wenn dies (die Notversorgung) nicht gewährleistet wird." Die einzige Reaktion, die die Heilbronner Praxis auf ihre "Brandbriefe" erhalten hat, war der Rückruf eines Chefarztes. Geändert habe sich nichts. Wenn die Überprüfung durch das Regierungspräsidium ergeben sollte, dass im Gesundbrunnenklinikum gegen den Paragraf 28 verstoßen wurde, werde rechtlich eingeschritten, sagt der Sprecher und es werde einen Sicherstellungsantrag geben. Gespräche sind nun angesagt, auch Üllner will sich im Vorfeld dazu nicht mehr äußern.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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