Heilbronn

Jetzt kommt auch die digitale Baustelle

Heilbronn will eine digitale Stadt werden und muss dafür viel Geld ausgeben – Rat bewilligt außerplanmäßig zunächst 500.000 Euro

23.07.2017 UPDATE: 26.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Spät, aber noch nicht zu spät: Das Heilbronner Rathaus soll in wenigen Monaten zur digitalen Baustelle werden. Insgesamt 4,1 Millionen Euro will die Stadt in moderne Technik für ihre Infrastruktur investieren. Foto: Armin Guzy

Von Brigitte Fritz-Kador

Als jetzt der Heilbronner Gemeinderat die vorgelegte Stadtkonzeption 2030 diskutierte, stand auf Punkt 1 der Tagesordnung die Digitalisierung. Auf die eher schüchternen Nachfragen, warum man sich nicht an dem vom IT-Branchenverband Bitcom und dem deutschen Städte- und Gemeindetag ausgerichteten Wettbewerb zur Digitalisierung für Städte von 100.000 bis 150.000 Einwohner beteiligt habe, sagte OB Harry Mergel, dass der Aufwand zu groß gewesen sei und man keine personellen Ressourcen gehabt habe. Jetzt gehört Heidelberg zu den Städten, die mit einigen hunderttausend Euro "mustergültig" in die digitale Zukunft geleitet werde. Den Einwand Mergels schluckten die Räte, sie wissen, was eigentlich dahinter steht: Die Bundesgartenschau 2019 und der Bauboom binden alle Kapazitäten.

Hintergrund

Ein Ziel der Digitalisierung ist auch der "papierlose Gemeinderat", den es schon in einigen Städten gibt. Dabei können alle Dokumente und Unterlagen sowohl auf dem heimischen PC als auch auf Laptops in der Sitzung abgerufen werden. Das Heilbronner Ratsinformationssystem gibt

[+] Lesen Sie mehr

Ein Ziel der Digitalisierung ist auch der "papierlose Gemeinderat", den es schon in einigen Städten gibt. Dabei können alle Dokumente und Unterlagen sowohl auf dem heimischen PC als auch auf Laptops in der Sitzung abgerufen werden. Das Heilbronner Ratsinformationssystem gibt schon seit Langem allen Bürgern den Zugriff etwa auf Pressemeldungen und öffentliche Gemeinderatsdrucksachen. Der Antrag der SPD auf einen Open-Data-Bereich bei der Stabsstelle Strategie wurde im Januar einstimmig angenommen. Er soll sich an dem Portal des Landes Baden-Württemberg orientiert. Daten, die veröffentlicht werden können, sollen barrierefrei zugänglich sein. So kann man künftig unter anderem auch die Feinstaubwerte abfragen. (bfk)

[-] Weniger anzeigen

Dennoch wird das Rathaus in wenigen Monaten zur digitalen Baustelle: Insgesamt 4,1 Millionen Euro werden investiert. OB Mergel spricht inzwischen von einem "Megathema". Laut Stadtkonzeption soll die Digitalisierung der Lebensqualität der Bürger dienen und die Wirtschaft sowie die Effizienz der Verwaltung stärken. Bernd Bergötz, Leiter der Stabsstelle Strategie, sagt, was die IHK lange schon anmahnt, nämlich dass vor allem die Breitbandverkabelung ein harter Standortfaktor für die Wirtschaft sei. Unternehmen wie Audi haben sich längst selbst "glasfaservernetzt", für mittelständische Unternehmen ist das finanziell kaum zu schaffen.

Für den "digitalen Kulturwandel" in der Verwaltung müsse die technische Infrastruktur kontinuierlich auf einem aktuellen Stand gehalten und die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter gefördert und gestärkt werden, heißt es in der Stadtkonzeption. Aus der Gemeinderatsdrucksache und der Diskussion dazu erfährt man immerhin, dass man für einen Profi eine Stelle für ein Jahr geschaffen habe, um die Konzepterstellung "Digitale Stadt" zu unterstützen.

Beauftragt hat man damit die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Stuttgart und dafür 500.000 Euro außerplanmäßig bereitgestellt. Die Kanzlei hat einschlägige Erfahrungen, auch als Begleiterin des oben genannten Wettbewerbs. Mit im Boot in Heilbronn ist auch die Hochschule.

Die ZEAG Energie AG hat mit der Bundesnetzagentur einen Vertrag mit definierter Laufzeit für die Breitbandverkabelung. Seit Mai 2017 geht man daran, Biberach flächendeckend mit moderner Glasfasertechnologie mit bis zu 100 Mbit pro Sekunde zu versorgt. Weitere Verteilgebiete sind laut ZEAG noch Kirchhausen, im Stadtgebiet Heilbronn sind es die Jägerhausstraße und die neuen Wohnquartiere Südstadthöfe und Neckarbogen. Und das war es zunächst. In welchem Ausmaß und wo von der ZEAG verkabelt wird, darauf habe die Stadt keinen direkten Einfluss, sagte Bergötz. Für das Ziel "Smart City" werden als Handlungsfelder unter anderem Bildung, Gesundheit, Verwaltung, Mobilität und Netze, Wissenschaft und Innovation benannt - mit Bürgerbeteiligung auch via Online-Plattformen. Daraus sollen je Handlungsfeld "Visionen entwickelt werden" bis hin zu detaillierten Projektplänen; erste Anwendungen werden in "Real-Laboren" umgesetzt.

Der Gemeinderat hat das alles abgenickt. FWV-Stadtrat Heiner Dörner erinnerte daran, dass die Entwicklung vom Gemeinderat und nicht von der Verwaltung angestoßen wurde, und Susanne Bay (Grüne) sagte zum Thema Digitalisierung: "Jeder weiß, dass sie kommt, viel wichtiger als das, was in der Verwaltung geschieht, ist, was sie für das Leben der Bürger bedeutet." Und wohl auch für die rund 3000 Mitarbeiter in der Stadtverwaltung.

Wichtig ist die Digitalisierung auch im Hinblick auf die Buga. Wenn man einerseits mit speziellen Eintrittspreisen um möglichst viel junges Publikum wirbt, andererseits aber keine App zur Verfügung stellt, dann geht da etwas nicht auf. Auch nicht der Anspruch eine "Stadt-Expo" zu bieten, wie es OB Mergel formulierte. Er verbreitet diesbezüglich die Zuversicht: Man werde 2019 soweit sein, sagte er im Gemeinderat, auch weil das Land wegen der Buga ein hohes Interesse daran habe. Er rechnet mit Unterstützung von dort wie auch vom Bund. Bernd Bergötz sagte, dass es nach seinem Wissen nur wenige deutsche Städte mit einer vergleichbaren digitalen Agenda gebe wie Heilbronn.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.