Grüner Oberbürgermeister Kuhn: Einjähriges in Stuttgart

Vor einem Jahr zog erstmals ein Grüner in das Rathaus der Landeshauptstadt Stuttgart ein

04.01.2014 UPDATE: 04.01.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden
Kuhn vor dem Glockenspiel im Rathaus. Seit einem Jahr ist er OB in Stuttgart. Foto: dpa
Von Julia Giertz

Stuttgart. Der 21. Oktober 2012 war für die CDU im Südwesten ein schwarzer Tag, für die Grünen ein Triumph: Nach der Eroberung der Villa Reitzenstein durch Winfried Kretschmann fiel auch noch das Stuttgarter Rathaus an einen Grünen. Fritz Kuhn erklomm als erster Grüner den Chefsessel einer Landeshauptstadt. Der parteilose, aber von der CDU unterstützte Werbefachmann Sebastian Turner landete im zweiten Wahlgang mit 45,3 Prozent der Stimmen überraschend deutlich hinter Kuhn (52,9 Prozent). Der Ex-Chef der Grünen im Landtag (1992-2000) und im Bundestag (2005-2009) versprach den Kita-Ausbau und den Kampf gegen Feinstaub und bezahlbaren Wohnraum. Am 7. Januar jährt sich die Staffelübergabe vom CDU-Mann Wolfgang Schuster an Kuhn.

Das Urteil über sein erstes Jahr im Amt fällt aus Sicht des Kehler Verwaltungswissenschaftlers Pau Witt positiv aus. Auch ein grüner Oberbürgermeister müsse ein OB für alle Stuttgarter sein und Konsens über die Parteigrenzen hinweg herstellen. "Das macht Fritz Kuhn aus meiner Sicht durchaus rollengerecht."

So wurde jüngst auch der Doppelhaushalt 2014/15 inklusive 165 Millionen Euro Krediten von einer breiten Mehrheit der Stadträte abgesegnet. Dass die Verschuldungskurve wieder ansteigt, irritiert den früheren Heidelberger Grünen-Abgeordneten nicht sonderlich. Kuhn vertritt den Standpunkt: Nicht getätigte Investitionen sind verkappte Schulden.

Der fraktionsübergreifende Konsens ist für den 58-jährigen Kuhn auch wichtig, weil nicht sicher ist, ob die Mehrheit im Gemeinderat links von der CDU bei der Kommunalwahl im Mai erhalten bleibt. Derzeit sind die Grünen stärkste Fraktion im Stadtrat. Für Bernd Klingler, Chef der FDP-Fraktion, sind die Kommunikation und der versöhnende Kurs Kuhns große Stärken. "Wir Liberale werden in Entscheidungen mit einbezogen. Ich habe einen kurzen persönlichen Draht zu ihm."

Doch inhaltlich hat der Liberale einiges auszusetzen: Die Konzepte für die Verkehrsentwicklung in der staugeplagten Stadt und das Konzept für bezahlbaren Wohnraum seien verspätet vorgestellt worden und kratzten nur an der Oberfläche. Von den angekündigten 600 geförderten Wohnungen im Jahr seien nur 200 Sozialwohnungen herausgesprungen. Dem stehe ein Bedarf von 3000 Wohnungen in der wachsenden Metropole mit knapp 600.000 Einwohnern gegenüber.

Auch im Kampf gegen den Feinstaub sei noch nicht mehr passiert als ein Einstieg in das Tempolimit von 40 Stundenkilometern und das neue Jobticket, kritisiert Klingler. Allerdings begrüßt er das Jobticket, bei dem vom 1. April an der Verkehrsverbund zehn Prozent Rabatt gewährt, wenn der Arbeitgeber die Fahrkarte mit mindestens zehn Euro pro Monat bezuschusst. Beim Dauerbrenner Stuttgart 21 ist und bleibt Kuhn ein kritischer Begleiter, der nach Aussage seines Parteifreundes und Verwaltungsbürgermeisters Werner Wölfle "selbst bei harten S-21-Gegnern Anerkennung" erworben hat.

Witt sieht im Kita-Ausbau den größten Erfolg Kuhns. Mit Ende 2013 mehr als 40 Prozent Versorgung der unter Dreijährigen liegt die Stadt weit über dem Landesschnitt. Um in den kommenden zwei Jahren 600 weitere Erzieherinnen anzulocken, legt die Stadt zusätzliche 100 Euro monatlich auf das Tarifgehalt drauf.

Als nächstes will Kuhn die Idee der "Stadt am Fluss" konkretisieren und den Neckar wieder für die Stuttgarter erlebbar machen. Anfang des Jahres wird auch das Resultat des Gutachtens für den Fernsehturm erwartet, den Kuhn im März 2013 wegen fehlenden Brandschutzes zum Unmut vieler Bürger schließen musste.

Auch wenn der Fernsehturm Kuhn die 100-Tage-Bilanz verhagelte, bescherte ihm der Autobauer Porsche kürzlich ein Geschenk: Das Unternehmen kündigte an, die Finanzierungslücke der Stadt beim Neubau der John-Cranko-Schule mit zehn Millionen Euro zu schließen.

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