Grün-Rot steuert im Straßenbau um

Verkehrsminister Hermann hat wegen nicht abgerufener Bundesmittel heftigen Gegenwind bekommen. Nun versucht Grün-Rot dagegenzuhalten: Das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium bremse beim Straßenbau. Trotzdem steuert Grün-Rot im Land auch finanziell nach.

09.05.2014 UPDATE: 09.05.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Ein Fahrzeug des Straßenunterhaltungsdienstes fährt auf der Autobahn A5 bei Achern. Die Autobahn wurde zwischen Offenburg und Baden-Baden auf sechs Spuren ausgebaut. Foto: Patrick Seeger/dpa
Stuttgart (dpa/lsw) - Die grün-rote Landesregierung zieht Konsequenzen aus der wochenlangen Debatte um nicht abgerufene Bundesmittel für den Fernstraßenbau. Das Land engagiert sich jetzt stärker bei der Vorfinanzierung von Bundesfernstraßenprojekten und erhöht den Rahmen um rund 40 auf etwa 100 Millionen Euro, wie das Verkehrsministerium am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. Zudem beschloss die grün-rote Haushaltskommission am Mittwochabend, dass die Straßenbauverwaltung 30 zusätzliche Stellen bekommt.

Die Opposition hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vorgeworfen, bis zu 100 Millionen Euro aus Berlin verschmäht zu haben. Hermann hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen, aber eingeräumt, dass die Straßenbauverwaltung am Anschlag arbeite und nicht mehr Geld aus Berlin verbauen könne. Verkehrspolitiker von Grünen und SPD sprangen Hermann am Donnerstag abermals zur Seite. Sie warfen dem CSU-geführten Bundesverkehrsministerium vor, neue Straßenverkehrsprojekte im Südwesten zu blockieren.

"Wir würden mit mehr Maßnahmen beginnen, wenn wir nur dürften", sagte der SPD-Verkehrsexperte Hans-Martin Haller. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe erklärt, dass vor Mitte 2014 keine weiteren Neubeginne freigegeben würden und erst die laufenden Vorhaben mit einem Finanzierungsbedarf von derzeit noch 700 Millionen Euro fertiggestellt werden sollten; seine Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) halte Spatenstiche für neue Projekte sogar bis 2017 für ausgeschlossen. Dies schade Baden-Württemberg, betonte Haller - ebenso wie der Grünen-Verkehrsexperte Andreas Schwarz.

Grün-Rot habe immer noch an der Verkehrspolitik auf Pump der schwarz-gelben Vorgängerregierung zu knabbern. Allein in diesem Jahr belasteten die Refinanzierungskosten für mehrere bereits seit Jahren ausgelaufene Landesstraßenbau-Programme in Höhe von 132,4 Millionen Euro den Verkehrsetat. Trotzdem habe Grün-Rot für den Erhalt der Landesstraßen mit 125 Millionen Euro von insgesamt 172,9 Millionen Euro in diesem Jahr so viel Geld eingestellt wie nie zuvor. Zum Vergleich: CDU/FDP hatten dafür laut Haller und Schwarz nur zwischen 8,7 und 50 Millionen Euro pro Jahr locker gemacht.

Haller räumte ein, es sei "nicht erfreulich", dass das Land 2013 zwischen 6 und 15 Millionen Euro für Bundesfernstraßen nicht abgerufen habe. Grün-Rot hatte auch darauf verwiesen, dass unter den Vorgängerregierungen Stellen in der Straßenbauverwaltung abgebaut worden seien - laut Schwarz handelt es sich um fast 190 Stellen zwischen 2005 und 2011. Derzeit arbeiten dort knapp 1000 Menschen.

Verkehrsminister Hermann sagte, die Aufstockung um 30 Stellen sei für die Sanierung von Straßen dringend nötig. Wie aus Koalitionskreisen zu hören war, ist eine weitere Stellenaufstockung in der Straßenbauverwaltung zum Doppelhaushalt 2015/2016 geplant. Die nun beschlossenen 30 zusätzlichen Stellen soll Hermann aber erst einmal durch Umschichtungen im eigenen Etat finanzieren.

Hermann begrüßt auch, dass das Land nun mehr Bundesprojekte vorfinanzieren kann. "Die Entscheidung stärkt die Straßenbauverwaltung in den Regierungspräsidien erheblich und erweitert den Handlungsspielraum des Verkehrsministeriums." Es handelt sich dabei um Mittel, die das Land vorschießt, um mit Projekten beginnen zu können, die dann aber vom Bund übernommen werden. Für die Erhöhung des Finanzrahmens zur Vorfinanzierung ist dem Vernehmen nach ein Nachtragshaushalt im Land nötig.

CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi sagte, somit habe die Regierung jetzt Forderungen der CDU aufgegriffen. "Sie hat erkannt, dass es ein

eklatanter Fehler war, Mittel des Bundes für den Straßenbau abzuweisen. Dies darf nie mehr passieren." FDP-Verkehrsexperte Jochen Haußmann bemerkte, der Fingerzeig der Landesregierung auf den "bösen Bund" sei hilflos. Er fragte: "Warum kann es Bayern besser?"

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg reagierte als Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände mit Unverständnis auf die neuen Stellen für die Straßenbauverwaltung. Es gebe längst zu viele Straßen im Land. Das vorhandene Personal solle konsequent für den Erhalt und die Sanierung vorhandener Straßen eingesetzt werden.

Hingegen lobte die Ingenieurkammer Baden-Württemberg das Bekenntnis von Grün-Rot zum Straßenbau. Hauptgeschäftsführer Daniel Sander erklärte, auch die Aufstockung der Straßenbauverwaltung sei ein Schritt in die richtige Richtung. "Allerdings sind die vorgesehenen zusätzlichen 30 Stellen der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein."

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