Führt die Polizeireform zu mehr Einbrüchen?

Vorwürfe von Städtetagspräsidentin und CDU - Innenminister Gall wehrt sich - Sicherheitskonferenz mit Kommunalverbänden

01.04.2015 UPDATE: 02.04.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Neuer Streit um die Polizeireform: Städtetagspräsidentin Gudrun Heute-Bluhm gibt ihr die Schuld an der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen. Fachleute widersprechen allerdings ebenso heftig.

Auf einer Sicherheitskonferenz von Innenminister Reinhold Gall (SPD) haben die kommunalen Dachverbände gestern versprochen, ihren Teil im Kampf gegen Wohnungseinbrüche zu leisten. Der reicht von lokalen Sicherheitskonzeptionen über mehr Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Sensibilisierung von Architekten. Die Forderung Galls, doch nachts die Straßenbeleuchtung brennen zu lassen und den Ganoven nicht durch falsche Sparsamkeit das Handwerk zu erleichtern, fand allerdings keinen direkten Eingang in eine gemeinsam unterzeichnete Erklärung.

Das Vorfeld der Konferenz nutzte Städtetagspräsidentin Gudrun Heute-Bluhm zu einem heftigen Angriff: Die Polizeireform bedeute weniger Präsenz der Ermittler vor Ort, die Prävention werde schwieriger, Kommunikationswege seien zerschnitten, behauptete die Christdemokratin. CDU-Landeschef Thomas Strobl spitzt weiter zu: "Grün-Rot hat zu verantworten, dass die Zahl der Einbruchdiebstähle massiv in die Höhe geschnellt ist."

Doch schon der Chef des Landkreistags, Eberhard Trumpp, widerspricht: die Zahlen sei ja wohl kaum gestiegen, nur weil die Polizei umstrukturiert wurde. Fakten müssten zählen, nicht politische Bewertungen, entgegnet auch Gall: "Nähe ist wichtig, aber gerade die leistet die Reform." Deshalb habe man auch die 146 lokalen Polizeiposten und -reviere nicht angetastet. Kleinlauter geworden, mochte Heute-Bluhm ihre Angriffe dann während der Konferenz auch nicht mehr wiederholen.

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In der Tat steigen die Zahlen seit mehr als acht Jahren, allerdings nicht nur im Südwesten, sondern in ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Es gibt Bundesländer und Stadtstaaten, da liegt die Tathäufigkeit pro Einwohner allerdings drei- bis viermal höher als im Südwesten. Tröstlich ist das nicht, meint Roger Kehle, auch er Christdemokrat und Präsident des Gemeindetages: "Bei dieser Zahl zurücklehnen, verbietet sich von selbst", aber er wisse zu schätzen, dass die Landesregierung das Thema ernst nehme. Denn Bürgerwehren, die staatliche Aufgaben übernehmen, wolle auch er nicht.

Dass die Polizeireform durchaus sinnvolle neue Strukturen zu schaffen vermag, zeigt ein Beispiel aus Karlsruhe: Dort wurde bereits im vergangenen Jahr eine Arbeits- und Einsatzgruppe aufgebaut, die erste Erfolge zeitigt: Vollendete oder auch im Versuch steckengebliebene Einbrüche gingen bis zur Hälfte zurück. Im Landesdurchschnitt hingegen stieg die Zahl 2014 um fast ein Fünftel auf rund 13.500 Fälle.

Landespolizeipräsident Gerhard Klotter erwartet gleichwohl insgesamt weiter steigende Zahlen, nur "hat das keinen Bezug zur Reform." Anders als früher kommen jetzt in sechs von zehn Fällen Spezialisten an den Tatort, entsprechend hat sich die Aufklärungsquote um drei Prozentpunkte erhöht. Der neuen Vorhersagesoftware, deren Testlauf in Bayern Ende März abgelaufen ist, gibt er zwar eine Chance, warnt aber: "Wunder dürfen wir davon nicht erwarten."

Gall setzt auf ein mehrsäuliges Modell, von der Analyse über die Spezialisierung bei Ermittlung und Aufklärung bis hin zur Prävention. Dass immer mehr Einbrüche scheitern, gilt dabei als Erfolg: Die technische Sicherung ist besser geworden, das Gefahrenbewusstsein größer.

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