Fischsterben in der Jagst: Katastrophe für ein "echtes Naturjuwel"
Die Rettungsmaßnahmen an der mit Ammonium verseuchten Jagst laufen - Auch der Eisvogel ist bedroht

Freiwillige Helfer zogen bereits tonnenweise toten Fisch aus der Jagst. Es wird vermutlich Jahre dauern, bis der Fluss wieder seinen Ausgangszustand erreicht. Foto: dpa
Von Annika Gonnermann
Mulfingen. Touristen radeln durch das Jagsttal, rechts und links erheben sich grüne Hügel, die Sonne scheint. Es könnte so harmonisch sein - wären da nicht die dröhnenden Motoren. Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk (THW) haben bei Mulfingen (Hohenlohekreis) ihre Geräte am Ufer der Jagst aufgestellt.
Mit Pumpen, die Wasserfontänen auf den Fluss schießen, wollen sie den Sauerstoffgehalt im Fluss erhöhen. Bei einem Brand am Samstag gelangte verunreinigtes Löschwasser in die Jagst. Seitdem zieht eine Giftwelle durch den Fluss - tonnenweise Fisch sind schon verendet.
Einige hundert Meter entfernt stehen rund 30 Mitglieder des Fischereivereins am Ufer. Auch hier dröhnt ein Motor: Mit seiner Hilfe jagt ein Elektrobefischungsgerät 600-Volt-Stöße ins Wasser. Normalerweise wird das Gerät zur Bestandsaufnahme eingesetzt. Jetzt soll es möglichst viele Fische retten, die in Nebenflüsse und Biotope umgesiedelt werden.
Ein kurzer Stromstoß, und wieder schwimmen ein paar betäubte Fische an der Wasseroberfläche. Einmal brandet kurz Jubel auf, als ein Wels gefangen wird. Dann wird die Stimmung wieder schlecht. Das sei ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt einer der Helfer. Der Stromstoß erreicht immer nur einen bestimmten Radius, längst nicht alle Fische können gerettet werden.
Das mit Ammonium kontaminierte Wasser könnte die Jagst nach Einschätzung eines Experten auf einer Strecke von rund 120 Kilometern belasten. "Es wird sicherlich Jahre dauern, bis der Ausgangszustand wieder erreicht ist", sagte der Referatsleiter Gewässerschutz bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Kurt Kreimes.
Am Mittwoch war das Gift im Hohenlohekreis angekommen. Laut Landratsamt Künzelsau wurde an der Kreisgrenze ein Ammonium-Wert von 28,7 Milligramm pro Liter gemessen. Für Fische in der Jagst ist ein Wert ab 0,5 bis 1 Milligram tödlich. Der Umweltverband BUND spricht von der "größten Flusswasservergiftung in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit dem Chemieunfall 1986 bei Sandoz bei Basel."
Denn das Gift trifft nicht nur Fische, sondern auch Insektenlarven, Würmern oder kleine Krebse, wie Hannes Huber, Sprecher des Naturschutzbundes Rhein-Neckar, betont. "Wir müssen davon ausgehen, dass ein Großteil abgestorben ist. Das ist natürlich für die betroffenen Arten fatal - aber auch für die Arten, die darauf als Nahrungsgrundlage angewiesen sind. Das ist ein Gesamtproblem für das Ökosystem." Die Jagst sei einer der besonders naturnahen Flüsse im Südwesten, sagt er. "Das ist nicht irgendein Kanal, sondern ein echtes Naturjuwel." So lebe dort beispielsweise auch der relativ seltene Eisvogel, der von kleineren Fischen lebt. "In den nächsten Jahren wird er dort kaum etwas finden und muss ausweichen", sagt Huber. "Das ist ein echter Schlag ins Kontor."