Beamte kritisieren die Ergebnisse der Polizeireform Baden-Württembergs
Schwarz-Grün wird nachsteuern: Basis stärken, damit die Polizei noch näher an den Bürgern ist

Die Reform sollte auch den Streifendienst stärken. Am Ergebnis gibt es Zweifel. Foto: dpa
Von Bettina Grachtrup u. Daniel Bräuer
Stuttgart/Heidelberg. In Stuttgart sind die Polizisten mit ihrem Großstadtpräsidium zufrieden. Wenn sie bewerten sollen, ob der Zuschnitt "den regionalen Anforderungen an eine bürgernahe Polizeiarbeit entspricht", antworten sie auf einer Skala von 1 bis 5 im Schnitt mit 2,28. Das heißt: Irgendwo zwischen "trifft eher zu" und "teils teils". Und erreichen damit schon den Bestwert in ganz Baden-Württemberg.
In den Präsidien Konstanz (3,92) hält man das Ergebnis der Polizeireform vor drei Jahren für weniger bürgernah. Auch in Reutlingen (3,88), Karlsruhe (3,87) oder Aalen (3,86) fremdeln die Beamten deutlich mit ihren Großbezirken. Das Präsidium Mannheim liegt mit 3,68 ebenfalls unter dem Landesdurchschnitt (3,56).
An der Umfrage des Lenkungsausschusses, den das Innenministerium eingesetzt hat, beteiligten sich rund 11.300 Polizisten. Zweifel gibt es demnach vor allem daran, dass die Reform den Streifendienst gestärkt oder Bürokratie abgebaut habe - die Werte liegen hier sogar über 4 ("trifft eher nicht zu"). Gute Noten gab es aber für die sozialverträgliche Umsetzung der Reform (Ergebnis: 1,95).
Für das Präsidium in Mannheim, in dem die ehemalige Polizeidirektion Heidelberg aufging, sehen die Befunde ähnlich aus: Mit 4,38 wird die Lage des Streifendienstes als "operative Basis" sehr kritisch bewertet und nur minimal besser als im Landesmittel (4,43). Beim Thema Bürokratieabbau sind die Mannheimer Beamten kritischer als der Landesschnitt (4,35 statt 4,25). Dass die Ebene der Polizeireviere sich bewährt habe, sagen die Beamten in der Region (2,90) eher als im Land (3,16). Umgekehrt ist es mit der Ebene der Kriminalpolizeidirektion (3,26 gegenüber 3,00 im Land) - sie hat für das Präsidium Mannheim ihren Sitz weiterhin in Heidelberg.
Baden-Württemberg hatte Anfang 2014 vier Landespolizeidirektionen sowie 37 Präsidien und Direktionen zu zwölf Großpräsidien verschmolzen. Damals führte die SPD mit Minister Reinhold Gall das Innenressort. Sein Nachfolger Thomas Strobl (CDU) hat eine Bewertung bis Ende März 2017 angekündigt. Grün-Schwarz stellt die Reform nicht infrage, will aber gegebenenfalls nachsteuern.
Ein Sprecher Strobls sagte, es sei entscheidend, die Basis zu stärken, damit die Polizei noch näher an den Bürgern sei. CDU-Innenexperte Thomas Blenke sagte: "Es hat sich bestätigt, was wir von Anfang an befürchtet haben. Die Polizeireform hat nicht das gebracht, was die grün-rote Vorgängerregierung versprochen hat."
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte: "Durch die Reform wurde nichts besser, aber vieles schlechter." Die FDP sehe sich in ihrer Kritik am Zuschnitt der Präsidien bestätigt.
Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, bezeichnete die Folgen als "katastrophal". Zentrale Ziele seien nicht erfüllt worden. Zudem habe die Leitungsebene offensichtlich eine andere Wahrnehmung als die Polizei-Basis. "Manche reden die Reform schön und nehmen nicht zur Kenntnis, welche Probleme die Basis damit hat."
Ex-Minister Gall verteidigte die Reform: Ohne sie wäre die Polizei heute nicht in der Lage, aus dem Stand große Sonderkommissionen aufzustellen, sagte er. Es gäbe zudem keine modernen Führungs- und Lagezentren. Die Reform bleibe "unter dem Strich ein großer Wurf", nun müsse nachjustiert werden.
Grünen-Geschäftsführer Uli Sckerl begrüßte die Befragung. "Wir wussten, dass es harte Kritik geben wird", sagte er. Dass eine so große Reform nach drei Jahren viel Optimierungspotenzial liefere, liege auf der Hand, so Sckerl. " Wir stellen uns nun der Verantwortung." An schlechten Noten für die Bürgernähe oder die Stärke des Vollzugsdienstes werde "die Politik nicht vorbeikommen".
Das Polizeipräsidium Mannheim wollte die Ergebnisse, die der RNZ vorliegen, auf Anfrage nicht kommentieren, solange sie nicht öffentlich vorgestellt worden sind.



