Volksbegehren mit Anlaufschwierigkeiten
Der Initiator bemängelt Unkenntnis in vielen Gemeinden. Die Bürger werden mit Unterschrift wieder weggeschickt.

Von Ulrike Bäuerlein, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Seit zweieinhalb Wochen läuft in Baden-Württemberg der Unterschriftenaufruf zum Volksbegehren "Landtag verkleinern". Doch offenbar ist die Beteiligung gar nicht so einfach: Auf einigen Rathäusern im Südwesten wisse man gar nichts davon, dass Unterschriften abgegeben werden können, ist eine Rückmeldung, die beim Initiator des Volksbegehrens, Dieter Distler, derzeit mehrfach täglich ankommt, wie er sagt.
Worum geht es? Das Volksbegehren "Landtag verkleinern in Baden-Württemberg", initiiert vom Privatmann Dieter Distler aus Bietigheim, will erreichen, dass die Zahl der Landtagsabgeordneten nicht weiter steigt, sondern das Parlament auch künftig mit maximal 120 Abgeordneten – der ursprünglichen Sollgröße – besetzt wird. Derzeit sind es durch Überhang- und Ausgleichsmandate 154 Abgeordnete. Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens sieht vor, dass die Zahl der Landtagswahlkreise von derzeit 70 auf 38 Wahlkreise nach dem Zuschnitt der 38 Bundestagswahlkreise verringert wird. Dadurch würde sich die Zahl der Landtagsabgeordneten wieder deutlich verringern.
Welche Befürchtungen hat die Initiative? Es gibt Berechnungen unter anderem des Politikwissenschaftlers Joachim Behnke von der ZU Friedrichshafen oder des Landesrechnungshofs, wonach sich die Zahl der Abgeordneten je nach Wahlergebnis bei der nächsten Landtagswahl 2026 deutlich auf bis zu 216 erhöhen könnte. Grund ist das neue Wahlrecht in Baden-Württemberg, wonach bei der Wahl 2026 erstmals zwei Stimmen abgegeben werden können. Der Landesrechnungshof hat dazu in einem Prüfbericht im Maximalfall mögliche Mehrkosten von fast 200 Millionen Euro pro Legislaturperiode ausgerechnet.
Was sagen Parteien und Abgeordnete dazu? Die Landtags-FDP warnt bereits seit Jahren vor einem drohenden "XXL-Landtag". Ein eigener FDP-Kompromissvorschlag, die Zahl der Wahlkreise von 70 auf 60 zu reduzieren, wurde von Grünen, CDU und SPD im Landtag abgelehnt, ebenso wie ein weitergehender Gesetzentwurf der FDP, die Zahl der Landtagswahlkreise auf 38 zu verringern. Das von der FDP daraufhin gestartete Volksbegehren wurde im Dezember 2023 vom Innenministerium trotz ausreichender Zahl von Unterschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen für unzulässig erklärt. Seitdem unterstützt die FDP das Volksbegehren "Landtag verkleinern", das juristisch anders argumentiert.
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Bis auf die AfD teilen die anderen Landtagsfraktionen die Einschätzung, dass die errechneten Maximalszenarien nicht zwangsläufig eintreten müssen, und verweisen im Gegenzug auf die Vorteile des neuen Wahlrechts und darauf, dass durch mehr Abgeordnete mehr Bürgernähe hergestellt werden könne. "Ob der Landtag größer oder kleiner wird, hängt wesentlich vom Wahlausgang ab", sagt etwa Daniel Lede Abal, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion. Eine Reduzierung der Wahlkreise lehnen die Grünen ebenso ab wie CDU und SPD. Lede Abal: "Fakt ist: Eine Halbierung der Wahlkreise würde die Bürgernähe verringern. Ein Abgeordneter wäre für fast doppelt so viele Menschen zuständig."
Wie sind die Betreuungsschlüssel zwischen Abgeordneten und Bürgern in anderen Bundesländern? Unter den Flächenländern in etwa vergleichbar mit Baden-Württemberg (rund elf Millionen Einwohner) sind Bayern (13,3 Millionen) und Niedersachsen (acht Millionen). Der bayerische Landtag umfasst derzeit 205 Abgeordnete, von denen rechnerisch jeder für rund 64.800 Einwohner zuständig ist; der niedersächsische 146 Abgeordnete, von denen jeder für rund 54.900 Einwohner zuständig ist. In Baden-Württemberg sind es derzeit pro Abgeordneten rund 72.000 Einwohner.
Wie können sich Bürger am Volksbegehren beteiligen? In allen baden-württembergischen Rathäusern können noch bis zum 10. Dezember Unterschriften für das Volksbegehren abgegeben werden. Eine digitale Unterschrift ist nicht möglich. Zudem können auf der Homepage der Initiative unter www.landtag-verkleinern.com Formblätter heruntergeladen, ausgedruckt und bei den Rathäusern abgegeben oder eingeworfen werden. Initiator Dieter Distler sagt im Gespräch mit unserer Zeitung allerdings, dass bei ihm täglich Rückmeldungen eingingen, wonach Beschäftigte in einzelnen Rathäusern nicht Bescheid wissen und Bürger wieder wegschicken oder ihnen die Unterschriften abstempeln und wieder mitgeben. Allerdings sind die Rathäuser für die Sammlung und Prüfung zuständig.
Wie geht es weiter? Die Initiative braucht bis zum 10. Dezember landesweit 770.000 Unterschriften, um zu erreichen, dass der Landtag über den vorgelegten Gesetzentwurf zur Reduzierung der Landtagswahlkreise abstimmt.




