Diebesgut hält Justiz auf Trab
Staatsanwälte haben immer mehr damit zu tun, Erträge aus Straftaten einzuziehen

Von Julia Giertz
Heidelberg. Verbrechen dürfen sich nicht lohnen - unter dieser Devise sind 2017 die Möglichkeiten ausgeweitet worden, Erträge aus Straftaten abzuschöpfen. Doch die Reform stellt Staatsanwälte und Richter vor neue Aufgaben - mit Folgen für das Arbeitspensum. "Wir sind merklich mehr belastet", sagt der Heidelberger Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt. Die Neuregelung begrüßt er: "Sie sollte den Blick der Anklagebehörden verstärkt darauf lenken, dass Täter nicht mehr die Früchte ihrer Tat genießen können."
Die Gesetzesänderung bringt neue Tätigkeiten mit sich: die Vermögenswerte eines Täters ermitteln, etwa Fahrzeuge, Kunstgegenstände oder Schmuck, diese in der Folge beschlagnahmen und - wenn möglich - an den Geschädigten zurückgeben. Fehlt dieser, werden eingezogene Gegenstände auch versteigert. Erträge, die nicht der Wiedergutmachung dienen, fließen in die Staatskasse.
Im Jahr 2018 wurden in Baden-Württemberg auf diesem Weg 4,4 Millionen Euro abgeschöpft, 2017 waren es 4,3 Millionen Euro, im Jahr 2016 sogar 24,2 Millionen Euro. Der hohe Betrag erklärt sich durch zwei größere Strafverfahren in Stuttgart, die 9,5 und 12 Millionen Euro erbrachten. Allein bei den Amtsgerichten in Deutschland wurde 2017 bei rund 4400 Verfahren eine Gewinnabschöpfung beantragt, 400 davon im Südwesten. Bei Landgerichten waren es 750 Anträge, davon 55 im Land.
Die Mehrarbeit beträgt Waldschmidt zufolge wöchentlich bis zu zwei Stunden. Das ruft jetzt die Justizminister auf den Plan. Ab Juli wird bundesweit bei jeweils neun Staatsanwaltschaften, Amtsgerichten und Landgerichten sowie bei einer Amtsanwaltschaft das Ausmaß erhoben. Über sechs Monate notieren Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Service-Mitarbeiter den Aufwand, wie das federführende bayerische Ministerium in München mitteilte.
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Die Abschöpfung basiert auf den Finanzermittlungen der Staatsanwaltschaften. Sie beantragen bei Gericht die Erlaubnis, Taterträge sicherzustellen. Gegenstände werden dann in amtliche Verwahrung genommen, Immobilien durch Eintragung im Grundbuch gesichert. Die Behörden müssen auch dafür sorgen, dass die Güter ordnungsgemäß gelagert und gewartet oder instandgehalten werden. Das Gericht entscheidet, ob und in welchem Umfang Taterträge eingezogen werden.
Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) sieht angesichts der neuen Herausforderungen einen erhöhten Informationsbedarf und hat ein Schulungsangebot eingerichtet. Daneben wurde eine Arbeitsgruppe für Fragen zum Recht der Vermögensabschöpfung eingerichtet. "Um die Möglichkeiten, die uns dieses neue Gesetz gibt, voll auszuschöpfen", will er demnächst einen Plan zur Spezialisierung bei der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich vorstellen.