Probiermeile für Zehntelesschlotzer eröffnet
Zum 47. Heilbronner Weindorf werden 250 000 Besucher erwartet - Liaison von Schokolade und Wein als Sonderthema

Nach dem gemeinsam gesungenen Lied "Kein schöner Land" schwebten bei der Weindorferöffnung hunderte Luftballons in den Heilbronner Stadtfarben gen Himmel. Fotos: Guzy
(guz) Einen Tag länger, mit zwei neuen Gastronomiebetrieben, dafür aber ohne politische Rede bei der Eröffnung: Seit gestern Abend wird rund um das Rathaus das 47. Heilbronner Weindorf als Stelldichein der Genussfreudigen gefeiert. Mit 340 Weinen der verschiedensten Sorten und Preislagen und einem erweiterten Speisenangebot nimmt die kulinarische Seite breiten Raum ein - bis hin zum Sonderthema: der Liaison von Schokolade und Wein. Das Fest ist aber vor allem eines: ein gemütlicher und beliebter Treffpunkt für "Zehntelesschlotzer". Ein "Schlenderweindorf", wie es Steffen Schoch, Geschäftsführer der Heilbronn Marketing (HMG), nennt: Man müsse nur irgendwo stehen bleiben, dann kämen im Laufe des Abends alle mindestens einmal an einem vorbei. Bei insgesamt 250.000 erhofften Besuchern ein fröhlicher Reigen, der sich diesmal über elf statt zehn Weindorftagen erstreckt - eine Viertelmillion Gäste auf der "wichtigsten Kommunikationsplattform, die wir in unserer Region haben", wie Oberbürgermeister Harry Mergel stolz formulierte. Und auch ein idealer Ort für die Integration von Neubürgern.
Trotz hunderter Eröffnungsgäste, darunter etliche "Honoratioren", vieler traditioneller Momente und einiger Neuerungen sowie einem Bühnentalk mit der Deutsche Weinkönigin Lena Endesfelder und der Württemberger Weinkönigin Andrea Ritz fehlte diesmal aber doch etwas: Den Schuss Politik, für den sonst ein parlamentarischer Ehrengast auf der Rathausfreitreppe oder der Festbühne sorgt, hatte man sich diesmal angesichts der nahen Bundestagswahl versagt. So mischten sich die zahlreich anwesenden Abgeordneten der Region eben unters Volk und parlierten bei einem guten Tropfen im Probierglas. Schließlich drängt die Zeit, um bis zum Wahltag noch den einen oder anderen Unentschlossenen auf die Seite der jeweiligen Partei zu ziehen.
Unter stärkerem Zeitdruck als in den vergangenen Jahren standen auch die Weindorf-Beschicker beim Aufbau und der Dekoration ihrer Stände: Weil der Festauftakt erstmals seit langem wieder auf Donnerstag vorverlegt wurde, kamen vor allem die Teams, die für die schmucke Dekoration der Stände sorgen, ins Schwitzen. Zur Eröffnung war dann aber doch fast alles perfekt.
Nach der Eröffnungsfanfare begrüßte OB Mergel die Gäste in "einer Stadt des Wandels und des Aufbruchs", warf einen Blick voraus auf die Bundesgartenschau 2019, schwenkte über zur Luftverschmutzungsproblematik ("Wir tun alles, für gute und gesunde Luft. Alleine schaffen wir das aber nicht"), lobte die Erzeugnisse der 120 Heilbronner Winzer, die jährlich sechs Millionen Liter Wein produzieren, und versicherte den Bürgern, am Kernauftrag "eine gute Lebensqualität für alle" zu schaffen festzuhalten.
Ganz ohne politischen Seitenhieb beließ es Verkehrsvereins-Chef und FDP-Bundestagsabgeordneter Nico Weinmann nicht: "In der Politik und beim Wein merkt man erst hinterher, welche Flasche man gewählt habe", scherzte er. Und HMG-Geschäftsführer Schoch hatte sich schon zuvor auf der Musikbühne den Hinweis erlaubt, dass die Weinkarte in Heilbronn eine weitaus größere Auswahl biete, als der Wahlzettel. Völlig unpolitisch wird das Weindorf also sicher nicht. Aber eben vor allem ein Treffpunkt für Genießer.



