Heilbronn/Stuttgart

Wenig "Einhörner", aber eine gute Gründerkultur

Baden-Württemberg wird auf der Start-up-Landkarte sichtbarer. Das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium investieren viel.

29.09.2022 UPDATE: 29.09.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden
Kämpferinnen für den Start-up-Standort: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (l.) und Theresia Bauer – hier bei ihrem letzten Termin als Wissenschaftsministerin. Foto: dpa

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Heilbronn/Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) steht in einem weißen Zelt in Heilbronn am Rednerpult und schwärmt: "Das ist groß, was Sie hier machen!" Durch die Zeltöffnung sieht man, wie hinter ihm Bauarbeiter am ersten Gebäude des "Innovationspark Künstliche Intelligenz" schaffen. Sie sind bereits im ersten Obergeschoss angekommen, dabei wird an diesem Tag erst die Grundsteinlegung gefeiert. "Wir haben uns beim Bau selbst überholt", scherzt Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung.

Vier Geschosse soll das Gebäude mit der Adresse "Im Zukunftspark 11—13" am Ende umfassen. Nebenan ziehen im Oktober die ersten Mieter ein, die 1200 Quadratmeter sind längst ausgebucht. Größen wie Porsche werden einziehen, schwäbische Mittelständler, aber auch viele Start-ups wie die Things Thinking GmbH, eine Ausgründung aus dem Karlsruher KIT. "Es ist krass, was hier passiert", sagt Sven Körner, Mitbegründer des Start-ups, das sich auf die Analyse von Textdokumenten mithilfe von KI spezialisiert hat. In der deutschen Gründer-Metropole Berlin habe man Heilbronn lange belächelt. Diese Zeiten seien vorbei.

Es tut sich was am Start-up-Standort Baden-Württemberg. Das ist die Botschaft, die von dieser vom Ministerpräsidenten und seiner Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) flankierten Grundsteinlegung ausgehen soll, die nur ein Vorgeschmack auf das ist, was noch kommt: Der Innovationspark wird einmal 23 Hektar Fläche umfassen. 50 Millionen Euro steckt das Land in das Projekt. "Für den Landeshaushalt sind das große, aber in KI-Dimensionen halt kleine Summen", sagt Kretschmann. Es klingt fast schon entschuldigend. Die gleiche Summe muss das Heilbronner Konsortium laut Ausschreibungsbedingungen aufbringen. In Stuttgarter Regierungskreisen raunt man sich aber zu, dass das Konsortium dank der Dieter Schwarz Stiftung, die nicht zufällig den Namen des Lidl-Gründers trägt, bis zu 1,5 Milliarden Euro in den KI-Standort Heilbronn investiere.

Dass die Stärkung der Start-up-Szene für die Zukunft des Standorts wichtig, aber in einem wohlhabenden Land mit gut dotierten Angestelltenjobs wie Baden-Württemberg nicht ganz einfach sei, gibt Kretschmann wenige Tagen später in Stuttgart zu Protokoll. Eben hat sein Kabinett getagt, nun sitzt er in der Regierungspressekonferenz, um gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut und der scheidenden grünen Wissenschaftsministerin Theresa Bauer neue Fördertranchen für Gründer zu verkünden.

Baden-Württemberg habe große Fortschritte gemacht, sagen Hoffmeister-Kraut und Bauer unisono. Bauer verweist auf ihre Initiativen zur Förderung einer Gründerkultur an den Hochschulen, die Wirtschaftsministerin auf die Frühphasenfinanzierung Start-up BW Pre-Seed oder den bundesweit einmaligen Corona-Rettungsschirm für krisengeschüttelte Gründer. Und auf die deutschlandweit größte eintägige Veranstaltung in diesem Bereich, den Start-up BW Summit, der nach zweijähriger Pause an diesem Freitag auf der Landesmesse Stuttgart den Gründer-Standort sichtbar machen soll.

Erst diesen Monat hat das junge Mannheimer Unternehmen Osapiens den renommierten Deutschen Gründerpreis gewonnen. Mit dem Heidelberger Start-up Aleph Alpha war ein zweites junges Unternehmen ebenfalls unter den sechs nominierten. Im Ländervergleich nimmt Baden-Württemberg inzwischen Platz 4 bei der Anzahl der Start-up-Gründungen ein – hinter Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen. International gelten Israel und das kalifornische Silicon Valley als Referenzadresse. Aber bei den Start-ups mit einem Wert von mindestens einer Milliarde US-Dollar – den sogenannten Einhörnern – liegt Berlin mit deutlichem Abstand vor München.

In Baden-Württemberg gebe es nicht den einen Start-up-Standort, wie es München für Bayern sei, sagte Bauer. Hierzulande würden viele Gründer nicht "den schnellen Exit" – also den schnellen Verkauf – suchen, versucht auch Hoffmeister-Kraut die Rankings einzuordnen. Viele strebten vielmehr die Etablierung eines Familienunternehmens an. Das wäre dann auch in Kretschmanns Sinne: "Wir sind nicht das Silicon Valley, wo es hauptsächlich um Einhörner geht. Wir sind das Land des Mittelstands, wir sind froh um jeden Mittelständler."

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