Heilbronn

Fachärzten fristlos gekündigt - Aufregung um Arztverträge

SLK-Kliniken Heilbronn kündigt 18 Kooperationsverträge fristlos - Boten sie Fachärzten die Möglichkeit einer Vorteilsnahme?

21.01.2018 UPDATE: 22.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Das SLK-Klinikum Gesundbrunnen in Heilbronn hat Kooperationsverträge mit niedergelassenen Fachärzten fristlos gekündigt. Mit diesem Schritt will das Klinikum einem möglichen Korruptionsverdacht vorbeugen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Vorermittlungen begonnen. Foto: Guzy

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Fällt das Wort "Bestechlichkeit", ist man in Heilbronn hellwach. Nur zu gegenwärtig sind die Fälle, in denen ein Bauunternehmer seine "Freunde", vom hochbezahlten Geschäftsführer bis zum "kleinen Polizisten", mit in den Abgrund gerissen hat: Gegen sie wurden teilweise hohe Gefängnis- und Geldstrafen verhängt. Jetzt ist dieses hässliche Wort wieder aufgetaucht, diesmal im Zusammenhang mit den SLK-Kliniken, nachdem deren Geschäftsführung 18 Kooperationsverträge mit Fachärzten fristlos und sehr überraschend kurz vor Weihnachten gekündigt hatte. Die Begründung: Die Verträge seien nicht rechtskonform.

Spätestens seit der für Wirtschaftssachen zuständige Oberstaatsanwalt Jürgen Lepple Vorermittlungen bestätigt hat, ist sozusagen "Feuer unterm Dach". Dabei ziehen Vorermittlungen noch lange nicht auch tatsächliche Ermittlungen nach sich, und diese ergeben auch nicht automatisch einen Straftatbestand. Eine Klinik ist kein Bauunternehmen, hier geht es um Patienten. So muss man auch die Reaktionen sehen, unter anderem die von Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel, Aufsichtsratsvorsitzender der SLK-Kliniken, dessen erste Stellungnahme sich darauf bezog, man werde mit der Staatsanwaltschaft kooperieren und alle Verträge vorlegen.

OB: Patientenwohl ist gesichert

Die Begründung für die Vertragskündigung ist eine mögliche Vorteilsgewährung nach dem im Juni 2016 in Kraft getretene Paragraf 299 beziehungsweise 299a StGB zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen. Diese wollte man durch die Kündigung offenbar rechtssicher unterbinden. Interessant in diesem Zusammenhang: Die Kooperationsfachärzte haben ihrerseits eine Prüfung der Verträge vorgenommen - offenbar ohne Beanstandung. Einige von ihnen waren zuvor als Fachärzte, teils auch in leitender Funktion, an den SLK-Kliniken tätig.

Hintergrund

OB Harry Mergel zu der Affäre um die Facharztverträge: "Sollte aufgrund einzelner Meinungsäußerungen der Eindruck entstanden sein, dass sich die SLK-Kliniken nicht gesetzeskonform verhalten haben, so ist dies schlichtweg falsch. Wir werben mit allem Nachdruck dafür, dass dies

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OB Harry Mergel zu der Affäre um die Facharztverträge: "Sollte aufgrund einzelner Meinungsäußerungen der Eindruck entstanden sein, dass sich die SLK-Kliniken nicht gesetzeskonform verhalten haben, so ist dies schlichtweg falsch. Wir werben mit allem Nachdruck dafür, dass dies in der Öffentlichkeit und bei unseren Patienten, auch angesichts der rechtlich komplexen Materie, deutlich wird. Die von den SLK-Kliniken gekündigten Verträge wurden auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben abgeschlossen und sind nicht rechtswidrig. Die Ausführungspraxis in der juristischen Kommentierung wurde seit Inkrafttreten der §§ 299a, b StGB weiter konkretisiert. Deshalb erfolgte eine Kündigung der Verträge nach sorgfältiger Prüfung durch mehrere externe Medizinrechtskanzleien, welche die Einschätzung der Geschäftsführung übereinstimmend bestätigt haben, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Verträge gekündigt werden sollten. Der Aufsichtsrat und sein Vorsitzender wurden zeitnah im Dezember von der Geschäftsführung informiert und werden weiter auf Stand gehalten." (bfk)

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Der finanzielle Druck, unter dem auch öffentlich finanzierte Krankenhäuser stehen, hat zur Folge, dass eben auch diese öffentlich finanzierten Einrichtungen "auf dem Markt sind". Für die Nutzung in Kooperationen mit Fachärzten heißt das: Wenn die 16 oder 18 neuen Operationssäle am Gesundbrunnenklinikum rund um die Uhr ausgelastet sind, bringt das Gewinn und könnte eine "Win-win-Situation" für beide Seiten sein.

Wenn nun die Verträge der SLK-Kliniken mit den Kooperationsärzten einen möglichen Verstoß (etwa bei der Zuweisung von Patienten) nicht unterbinden, stellt sich die Frage, warum die SLK-Kliniken erst jetzt tätig wurden. War der Geschäftsführung der SLK-Kliniken die veränderte Gesetzgebung nicht bekannt, hat sie deren Konsequenzen nicht richtig eingeordnet oder gab es keine eindeutige Zuständigkeit dafür?

Das Problem "Kooperationsverträge" beziehungsweise deren "Vertragszustand" waren dem Vernehmen nach schon Anfang Dezember Thema einer Aufsichtsratssitzung der SLK-Kliniken. Für deren Mitglieder gilt die Verschwiegenheitspflicht. Daran hält sich auch Rainer Hinderer, SPD-Fraktionsvorsitzender in Heilbronn und Sprecher für Gesundheits- und Suchtpolitik im Landtag. Ihm ist nur diese Aussage zu entlocken: "Aus gesundheitspolitischen Erwägungen ist aus meiner Sicht die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen stationärem und ambulantem Bereich im Hinblick auf eine gute Patientenversorgung weiterzuentwickeln. Insofern begrüße ich die Zusammenarbeit von Kliniken und niedergelassenen Ärzten auf einer rechtlich abgesicherten Basis." Zu solchen Vertragsabschlüssen will man jetzt von allen Seiten möglichst rasch wieder kommen, teilweise ist man es bereits.

Der Schaden allerdings ist da, und er hat nicht nur wirtschaftliche Seiten. Da ist einmal der Imageschaden für SLK-Kliniken wie Fachärzte, aber auch der Vertrauensverlust unmittelbar betroffener Patienten zu nennen, die nun nicht mehr von den ihnen vertrauten Ärzten stationär behandelt werden können, sei es bei einer Hüft-OP oder einer Herzkatheter-Untersuchung. Ein Insider rechnet hoch, dass pro Monat 400 oder mehr Patienten betroffen sein könnten.

Die SLK-Kliniken sagen, dass die Behandlung dieser Patienten sichergestellt sei: "Auswirkungen auf das Leistungsangebot und die qualitativ hochwertige Patientenversorgung in den SLK-Kliniken gibt es keine." Fast wortgleich äußert sich OB Mergel dazu, aber auch zum Imageschaden redet er Klartext (siehe Hintergrund).

Diesen Klartext sprach aber auch schon Alexander Badle, Oberstaatsanwalt, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft. Er empfahl schon 2016 nach Inkrafttreten der neuen Straftatbestände, alle Kooperationsverträge zu überprüfen und Ermittlungsrisiken durch präventive Maßnahmen zu minimieren: "Denn wenn man erst einmal Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist, ist der Schaden bereits eingetreten." Seine Botschaft bei einer Fachtagung: "Wenn Sie sich an die Branchen-Spielregeln aus dem Kodex Medizinprodukte als Auslegungshilfen des Gesetzes halten, haben Sie das Risiko einer strafrechtlichen Ermittlung deutlich minimiert."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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