"Was hier los ist, ist eine Katastrophe"
Die Suche nach der Ursache für das massenhafte Fischsterben hat begonnen

Von Linda Vogt
Heilbronn. Besorgt blicken Anwohner von der Brücke in den kleinen Fluss Schozach. An dessen Grund liegen zahlreiche verendete Fische, treiben nach und nach zum Neckar hinab. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt der 89-jährige Rudolf Grandi, der im Heilbronner Stadtteil Sontheim lebt. "Was hier los ist, ist eine Katastrophe." Rund 120 Feuerwehrleute sind am Freitagmittag im Einsatz. Eine der Aufgaben: Die Fischkadaver aus dem Wasser holen. Von mehreren Tonnen geht Kommandant Eberhard Jochim aus. Genaue Zahlen gibt es zunächst nicht.
Auch der Grund für das massenhafte Fischsterben ist unklar - der erste Alarm ging am Donnerstagmorgen bei der Heilbronner Polizei ein. Derzeit gehen die Behörden davon aus, dass ein giftiger Stoff ins Gewässer gelangt ist. Betroffen ist ein rund 16 Kilometer langes Teilstück der Schozach zwischen Ilsfeld und Heilbronn, wie ein Sprecher des Landratsamts dieser Zeitung mitteilte. Am Freitag liegen die toten Fische unmittelbar vor der Mündung zum Neckar. Ob sie dorthin gespült wurden oder sich die Ursache für das Tiersterben ausgeweitet hat, war zunächst nicht bekannt.
Das Wasser, das aus der Schozach in den bedeutend größeren Neckar fließt, verdünnt sich dort stark, wie ein Stadtsprecher erklärt. Dadurch könnte die toxische Wirkung aufgehoben werden.

Der Fluss ist ein eher kleiner Nebenarm des Neckars. Foto: dpa
Carsten Höss deutet auf die Uferspitze, wo Neckar und Schozach aufeinandertreffen. "Dort liegt mein Angelplatz", sagt der 63-Jährige. "Fischen können wir hier nicht mehr. Das System ist hinüber, es sterben ja nicht nur die Fische, sondern auch Kleinstlebewesen", also die Nahrung. Auch verendete Wasservögel meldet die Polizei. Die Prognose des Anglers: "Es wird Jahre dauern, bis sich das System wieder erholt."
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Ob die Folgen tatsächlich so gravierend sind, muss laut Unterer Wasserbehörde der Stadt Heilbronn abgewartet werden. "Mit Glück ist das Wasser so schnell durchgerauscht, dass Stellen unbetroffen sind", so ein Sprecher. Von dort aus könnte sich das System erholen.
Der Vorsitzende des Naturschutzbunds Baden-Württemberg (Nabu), Johannes Enssle, erinnert an das Jagst-Unglück im Sommer 2015 - nach einem Brand in einer Mühle war eine Mischung aus Mineraldüngern und Löschwasser in den Fluss geflossen und hatte ein massives Fischsterben verursacht. Es zeige sich erneut, "dass wir im Gewässerschutz noch viel Arbeit vor uns haben", so Enssle.
Aber wie konnte es zu einer Verunreinigung kommen? Laut Stadt und Landratsamt Heilbronn gibt es seit Freitagnachmittag Hinweise. Bei einer Spedition habe es am Dienstag einen Unfall gegeben und 1000 Liter eines Stoffes, der als wassergefährdend gilt, seien ausgetreten. Dies könnte ursächlich sein, hieß es in einer Mitteilung. Sicher ist das aber noch nicht. Sowohl Wasserproben als auch tote Fische werden derzeit untersucht.
Sollte sich bestätigen, dass das Gift aus einem Gewerbegebiet in die Schozach gelangt sei, sei auch die Politik gefragt, sagt Johannes Enssle vom Nabu: "Die Regularien müssen dahingehend geändert werden, dass Gewerbe mit wasserschädigenden Chemikalien sich nicht an Bächen und Flüssen ansiedeln kann." Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ist zurückhaltender: Erst einmal gelte es, die Ursache genau zu untersuchen.
Angler Carsten Höss blickt ins Wasser und deutet auf die leblosen Fische. "Rotaugen, Rotfedern, Karauschen, da ist alles dabei." Er will die nächsten Tage an die Flussmündung kommen und beobachten, wie sich die Lage entwickelt.