Spaß am Radfahren im Südwesten nimmt ab
Fahrradland im Abschwung - Allerdings ist Karlsruhe die "radfreundlichste Stadt" bundesweit

Von Sören S. Sgries
Stuttgart/Heidelberg. Falschparker, zu schmale Wege, nervige Ampelschaltungen und immer wieder Baustellen: Die Liste der Probleme ist lang, die das Radfahren im Land mehr zur Last als zur Lust werden lassen. So ein Ergebnis des ADFC-Fahrradklima-Tests 2018, für den bundesweit 170.000 Bürger befragt wurden.
Speziell für Baden-Württemberg stellt Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende des Fahrrad-Clubs, fest: "Der Spaß am Radfahren nimmt kontinuierlich ab! So wird Baden-Württemberg nicht zum Fahrradland!" Seit 2014 sei die Schulnote, die dem Fahrradklima im Land gegeben wurde, immer weiter abgesackt - von 3,7 auf jetzt nur noch 3,9. "Die Menschen im Land haben das Gefühl, dass für den Radverkehr nicht genug getan wird und sie als Verkehrsteilnehmer nicht ernst genommen werden."
Hintergrund
Das Fahrradklima in der Region
Bundesweit haben 170.000 Befragte bei einer Umfrage des ADFC insgesamt 683 Städte und Gemeinden bewertet. Die Noten für die Städte aus der erweiterten Rhein-Neckar-Region. In Klammern: Rang in Baden-Württemberg innerhalb
Das Fahrradklima in der Region
Bundesweit haben 170.000 Befragte bei einer Umfrage des ADFC insgesamt 683 Städte und Gemeinden bewertet. Die Noten für die Städte aus der erweiterten Rhein-Neckar-Region. In Klammern: Rang in Baden-Württemberg innerhalb der Städte-Kategorie.
Karlsruhe: 3,15 (1 von 3)
Mannheim: 3,94 (3)
(Orte < 500.000 Einwohner)
Heidelberg: 3,57 (1 von 5)
Heilbronn: 3,98 (3)
(Orte 200.000 bis 500.000 Einwohner)
Schwetzingen: 3,29 (1 von 50)
Wiesloch: 3,83 (26)
Rastatt: 3,89 (30)
Weinheim: 3,99 (34)
(Orte 20.000 bis 50.000 Einwohner)
Ladenburg: 3,38 (7 von 35)
Walldorf: 3,69 (19)
Ketsch: 3,78 (22)
St. Leon-Rot: 3,79 (23)
(Orte < 20.000 Einwohner)
Dabei gibt es im Städteranking sogar Grund zur Freude - zumindest auf den ersten Blick. So ist Karlsruhe bei den Städten mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern neuerdings die Stadt mit der besten Gesamtbewertung. Note: 3,15. Münster, der Dauersieger seit 1988, wurde mit der Note 3,25 auf Platz zwei verwiesen. Dahinter steht schon Freiburg (3,42). Allerdings, so Zühlke: "Karlsruhe ist konstant geblieben und ist deswegen Erster geworden, weil sich Münster seit Jahren stetig verschlechtert."
Stuttgart bekommt als größte Stadt im Land nur die Note 4,23 - das ist der zehnte Rang unter den bundesweit 14 Städten mit mehr als einer halben Millionen Einwohner. Top-Stadt ist Bremen (3,55).
Relativ gute Werte gibt es für Heidelberg: Mit einer 3,57 ist die Stadt "Landessieger" bei den Städten mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern. Im bundesweiten Wettstreit von 41 Städten in dieser Kategorie reicht es für den vierten Platz. Punkten kann die Unistadt laut ADFC mit geöffneten Einbahnstraßen, Leihrädern, der guten Erreichbarkeit des Stadtzentrums sowie der Tatsache, dass hier fast alle Rad fahren. Bemängelt werden insbesondere die unzureichende Breite der Radwege, die Ampelschaltungen, Konflikte mit Autos aber auch eine hohe Fahrraddiebstahlquote.

Karlsruhe - hier eine Fahrradstraße in der Innenstadt - ist im ADFC-Ranking Deutschlands neue "Radhauptstadt". Foto: Uli Deck
Bei den Kleinstädten (20.000 bis 50.000 Einwohner) ist Schwetzingen der landesweite "Überraschungssieger". Mit der Note 3,29 steht die Spargelstadt an der Spitze von 50 Konkurrenten im Ländle. Bundesweit reicht es für Rang 17 von 311. Besonders kritisch werden hier in der Umfrage Konflikte mit Fußgängern und Diebstähle gesehen.
Neben dem allgemeinen Fahrradklima wurde diesmal auch nach der Familienfreundlichkeit gefragt. 74 Prozent aller Befragten in Deutschland sagten, dass man Kinder nur mit schlechtem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen kann. In den Großstädten sind es sogar 85 Prozent.
Doch auch allgemein wird ein zunehmendes Unsicherheitsgefühl festgestellt. In Baden-Württemberg sank die Note von 3,9 (2014) auf 4,1. "Das fehlende Sicherheitsgefühl kommt von schlechten oder zu schmalen Radwegen und der Nähe zum schnellen Autoverkehr", schimpfte ADFC-Landeschefin Zühlke über eine "grottenschlechte und meist lückenhafte Radinfrastruktur".
Dieses Unsicherheitsgefühl und die schlechte Infrastruktur ist nach Überzeugung des ADFC der zentrale Grund, warum der Radverkehr im Land nicht - wie politisch gewünscht - deutlich anwächst. Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr in Baden-Württemberg liege aktuell bei 10 Prozent (bundesweit 11 Prozent), möglich wären 30 Prozent.