"Vielleicht werde ich Alleinunterhalter"
Die RNZ sprach mit dem Kirchardter Buga-Zwerg über Zukunftspläne, Gesang und seine Entführung

Der Karle von der Buga, hier noch frisch von der Palette. Oder doch entführt und geknebelt? Foto: Armin Guzy
Kirchardt. (guz) Die Gemeinde versteigert am morgigen Sonntag ihren "Karl", die 1,60 Meter große Zwergen-Figur, die in Kirchardt seit Jahresbeginn für die Heilbronner Bundesgartenschau geworben hat. Die RNZ hat die letzte Gelegenheit genutzt und Karl interviewt, bevor er vielleicht für immer irgendwo verschwindet.
Herr Karl, wir treffen Sie hier im Schwerlast-Regal des Bauhofs. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Ach, ja, Zeit ... fast 300 Tage mit der Blume in der Hand am Straßenrand. Jetzt hab’ ich endlich mal frei. Also: Zeit ist gerade kein Problem. Was wollen Sie wissen?
Morgen werden Sie versteigert. Wie fühlen Sie sich?
Hmmm. Schwierig. Die Aufmerksamkeit, die man kriegt, das ist ja schon ganz schön. Man ist wer. Aber irgendwie fühlt man sich auch als Ware, als Überbleibsel. (schnieft) Und ich hab ja auch überhaupt keinen Einfluss darauf, wer mich kriegt. Das ist schon irgendwie demütigend. Ich bin ein stolzer Zwerg!
Und sogar ein richtig großer, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.
Ja, ja. Gut beobachtet. Aber das macht’s auch nicht leichter. Denken Sie mal, Sie wären unter Ihresgleichen und dreimeterfuffzig. Was glauben Sie, wie die anderen Sie angucken? Wie die hinter Ihrem Rücken disseln? Was, wenn mich mein neuer Besitzer in den Vorgarten stellt? Zwischen all die anderen, die Kleinwüchsigen, die Normalo-Zwerge? Ich kann ja nicht mal weglaufen.
Klar, Sie sind ja schon eine wenig, äh, ... immobil.
Keine Beleidigungen, bitte! Dafür bin ich sehr, sehr standfest. Und chic.
Aber auch pink.
Jetzt werden Sie auch noch rassistisch! Was hat denn meine Hautfarbe mit meinem Charakter zu tun? Alle sehen immer nur die Farbe. Ich hab’ sie mir nicht ausgesucht, aber ich bin ganz zufrieden damit. Und es kränkt mich, dass niemand meine inneren Werte sieht.
Ich dachte, Sie sind hohl?
Bitte?! Woher wollen Sie das denn wissen? Sind Sie etwa auch so einer, der mich sprengen will, um meine tiefsten Geheimnisse zu ergründen?
Nein, nein, natürlich nicht. Wobei: Sie hatten ja schon mal so ein ähnliches Erlebnis. Wollen Sie darüber reden?
Nein!
Ein klitzekleines bisschen?
Nein!
Ach, kommen Sie. Wie war’s denn so, entführt zu werden? Sie haben doch sonst wenig Spannendes erlebt.
(versucht, sich wegzudrehen, schweigt)
Würden Sie die Täter wiedererkennen?
Es war Nacht. Ich hatte gerade geschlafen, als mir jemand an die Schrauben ging. Es war nicht angenehm, sage ich Ihnen. Mehr erzähle ich nicht. Punkt!
Okay, falls Sie am Sonntag niemand will, welche Pläne haben Sie dann für die Zukunft? Wollen Sie als gestandene Werbefachkraft in der Branche bleiben?
Sie meinen wohl so nach dem Motto: "Woisch Kalle" als Müsli-Zwerg? Nein, ganz bestimmt nicht! Ich habe viele Qualitäten.
Ja?
Vielleicht werde ich Alleinunterhalter.
Interessant. Was können Sie denn?
Ich singe.
Ach?
Ja, sehr schön sogar. Äußerst lieblich. Wie alle Zwerge. Im Ultraschallbereich. Nachts kamen ganze Fledermausschwärme, um mir zuzuhören.
So, so.
Glauben Sie mir etwa nicht? Kaufen Sie mich doch, dann beweis’ ich’s Ihnen! Außerdem seh’ ich auch gut aus. Extrem gut sogar. Diese makellos glatte Haut ... hier, fühlen Sie mal. Diese klar definierten Kanten. Dieses Lächeln. Eigentlich müsste ich ja gar nichts weiter können. Und ich bin immer leise. Und sehr aufmerksam.
Ein schöner, stummer Wach-Zwerg also? Bewaffnet mit einer Kunststoffblume?
Jetzt werden Sie ja schon wieder unverschämt. Ich sage Ihnen: Andere wissen das durchaus zu schätzen!
Wir werden’s ja sehen, morgen.
Ja, werden wir! Ich erwarte nicht weniger als einen vierstelligen Betrag, einen oberen vierstelligen. Drunter kriegt mich keiner!
Ich befürchte, das steht nicht in Ihrer Macht.
Ja, glauben Sie vielleicht, ich geh’ mit jedem mit?
Und Ihre Entführung?
Das war etwas anderes!
Möchten sie jetzt darüber sprechen?
Nein! Neinneinneinnein! Nein!
Also gut. Wie lange sind sie eigentlich haltbar?
Ich ... äh ... ich ... das ... das hat mich ja noch nie jemand gefragt. Ich ... ich weiß es nicht ...
Werden Sie mürbe in der Sonne? Bleichen Sie aus? Schmelzen Sie?
Ich bin aus allerbestem Material. Da lass ich nichts drauf kommen! Vielleicht brauch’ ich ab und an ein bisschen Sonnencreme. Lichtschutzfaktor 100 am besten. Und ein Dach gegen den Regen. Und Panzerglas gegen Sprengversuche. Mit Stacheldraht. Gegen Entführer ... Gehen Sie jetzt bitte! Kann mich mal bitte jemand googlen! Oh, mein Gott! Vielleicht bin ich ja doch nicht unsterblich.
Herr Karl, wir danken I...
Gehen Sie! Jetzt! Sofort! Ich kanns ja nicht!



