Wenn Häftlinge in Modulen sitzen
450 neue Haftplätze entstehen - Drei Standorte vorgesehen

"Zellenmangel" in Baden-Württemberg: Mit Einverständnis der Insassen werden derzeit schon einige Zellen doppelt belegt. Foto: dpa
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Angesichts der angespannten Belegungssituation in den baden-württembergischen Haftanstalten planen die Ministerien für Justiz und Finanzen erstmals die Errichtung modularer Hafthäuser. Diese sollen auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalten Schwäbisch Hall, Heimsheim und Ravensburg entstehen. An den drei Standorten will die grün-schwarze Landesregierung so jeweils 120 zusätzliche Plätze schaffen.
Parallel dazu soll in Ravensburg, auch das ist neu, ein Haftgebäude aufgestockt werden, wodurch den Plänen zufolge weitere 93 Haftplätze gewonnen werden. Insgesamt stehen damit bis 2023 gut 450 zusätzliche Plätze bereit. In Heimsheim und Ravensburg sollen die Bauten bereits Mitte 2022 stehen, in Schwäbisch Hall ein Jahr später.
"Um die Belegungssituation zu entspannen, setzen wir auf ein innovatives Konzept: Wir schaffen innerhalb der Gefängnismauern neue Haftplätze durch Gebäude, die aus Modulen bestehen. Dies bietet sich für Häftlinge an, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, also ursprünglich lediglich zu Geldstrafen verurteilt wurden", sagte Justizminister Guido Wolf (CDU) dieser Zeitung.
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau habe bereits in der Vergangenheit Modulbauten errichtet, sagte Finanz-Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne). Diese "zügige Bauweise" nun im Vollzug einzusetzen, sei "eine neue Herausforderung", der man sich gemeinsam mit dem Justizminister gerne stelle. Beide Häuser arbeiteten dabei Hand in Hand.
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Rund 500 Gefängnisinsassen sitzen im Schnitt gerade eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. Ohne das Projekt "Schwitzen statt Sitzen" wären es noch weit mehr. Dahinter steht das Angebot, dass Menschen, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit vermeiden können. Das kommt jährlich in mehreren Tausend Fällen vor.
Hintergrund der Ausbauvorhaben, für die bis zum Frühjahr 2019 haushaltsreife Planungen und damit konkrete Kostenkalkulationen vorliegen sollen, ist zweierlei: Erstens ist die Zahl der Gefangenen in den baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten seit 2016 stark angestiegen. Saßen Ende Oktober 2016 noch 6949 Menschen ein, waren es Ende September 2017 schon 7279 und im Oktober 2018 dann 7380. Die maximale Belegungsfähigkeit gibt das Land mit 7538 Haftplätzen an, weil es im offenen Vollzug noch freie Plätze gibt.
Dagegen standen Ende Oktober 2018 im geschlossenen Männervollzug für 6363 Insassen nur 6066 Haftplätzen bereit. Gelöst wird das Problem bislang damit, dass Einzelzellen mit Einverständnis der Insassen doppelt belegt werden. Damit ist das Land aber auf die Mitwirkung der Betroffenen angewiesen, da diese ein Recht auf eine Einzelzelle haben.
Zweitens wird die neue Justizvollzugsanstalt in Rottweil mit rund 500 Plätzen frühestens ab dem Jahr 2026 zur Verfügung stehen und damit später als von Wolf gewünscht. Die schneller zu realisierenden Modulbauten sollen daher für Entspannung sorgen. Diese sollen im nächsten Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2020/21 etatisiert werden.
In der jüngeren Vergangenheit sind mit der Inbetriebnahme des Neubaus in der JVA Heilbronn im Jahr 2017 und der neuen Hafthäuser in der JVA Stuttgart in diesem Jahr schon insgesamt 620 neue Plätze geschaffen worden. Das hat die Lage aber nur bedingt entkrampft. Aus Justizsicht wird das Land erst mit Inbetriebnahme von Rottweil gut aufgestellt sein.