Baden-Württemberg

Kretschmann nervt "Moralisiererei" beim Klimaschutz

Politik solle sich nicht in persönliche Lebensführung einmischen - Aber: im Extremfall auch Verbote

07.08.2019 UPDATE: 08.08.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 40 Sekunden

Ministerpräsident Winfried Kretschmann. F.: dpa

Stuttgart. (lsw) Die Politik darf den Menschen aus Sicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht die persönliche Lebensführung vorschreiben - auch nicht für den Klimaschutz. "Ich halte von dieser ganzen Moralisiererei wenig", sagte der Grünen-Politiker.

"Rumzumoralisieren ist Aufgabe von Eltern, von Erziehern, von Kirchen, von Philosophen, von der Gesellschaft überhaupt - aber nicht von der Politik." Die Politik müsse den Leuten nicht sagen, was sie essen dürfen und was nicht und wie sie sich fortbewegen.

Kretschmann hält daher auch wenig von einem Verbot innerdeutscher Flüge. "Kurzflüge von Stuttgart nach Frankfurt oder München sind Unsinn, aber auf Flüge nach Berlin kann ich aus Zeitgründen nicht verzichten", sagte er. Er halte nicht viel von dieser Debatte. "Wir müssen einen anderen Weg gehen und attraktive Alternativen anbieten." So müsse man an technischen Lösungen arbeiten, etwa Flugzeuge mit synthetischen Kraftstoffen zu betanken. Zusätzlich müssten eine Kerosinsteuer eingeführt und attraktive Alternativen wie Schnellbahntrassen entwickelt werden.

Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen, Inlandsflüge gelten daher inzwischen als Klimasünde ersten Ranges. 2018 flogen laut Statistischem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im Inland. Das Umweltbundesamt schätzt die dabei verursachten Treibhausemissionen auf rund 2 Millionen Tonnen CO2 - das ist allerdings nur ein Bruchteil der rund 163 Millionen Tonnen, die insgesamt dem Verkehrssektor zugerechnet werden. Im Gegensatz zu den internationalen Verbindungen stagniert die Nachfrage aber seit Jahren.

Der Klimaschutz als politisches Thema werde nicht mehr verschwinden, sagte Kretschmann. "Im Gegenteil: Der wird sich verstärken." Politik müsse vor allem praktikable Lösungen bieten statt zu moralisieren. "Wenn meine Politik dazu führt, dass Leute wie Trump regieren, habe ich was falsch gemacht", sagte Kretschmann. Es dürfe aber nicht belohnt werden, wenn man sich umweltschädlich verhält. "Deshalb reden wir über eine CO2-Bepreisung und nicht darüber, ob man fliegen darf."

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Dass eine junge Bewegung moralisch auftrete, sei aber nicht zu kritisieren, sagte Kretschmann mit Blick auf die Klima-Aktivisten von "Fridays for Future". Auch die Grünen seien zu Beginn eine moralische Bewegung gewesen. Es sei nicht Aufgabe der Politik, die persönliche Lebensführung der Menschen zu bestimmen, sagte Kretschmann. Die Politik müsse allerdings die Dinge so ordnen, dass umweltschädliches Verhalten teuer und im Extremfall auch verboten werde.

Ort des Geschehens

Kretschmann räumte ein, es könne zum Problem werden, dass eine Regierung, eine Partei oder ein Politiker Erwartungen nicht in Gänze erfülle. "Damit lebe ich jeden Tag", sagte Kretschmann. "Manchmal muss man erklären, warum etwas nicht geht, warum wir das nicht bezahlen können, warum es rechtlich nicht geht, warum es so schnell nicht geht und warum man dazu Mehrheiten braucht." An den Grünen sei eine ambitioniertere Klimapolitik aber noch nie gescheitert.

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